Wofür steht die SPD? Nach den jüngsten Äußerungen des Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel ist kaum eine Richtung zum Thema Stuttgart21 zu erkennen.
Stuttgart - Bisweilen schlägt die Politik Kapriolen, die mit Logik und gesundem Menschenverstand kaum zu erklären sind; zutreffend ist da eher der legendäre Adenauer-Spruch: "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? Nichts hindert mich, weiser zu werden." So verhält es sich nun wohl auch mit dem SPD-Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel, der am Donnerstag zur Überraschung von Freund und Feind erklärt hat, dass man nach der Geißler-Schlichtung ein Volksentscheid zu Stuttgart21 vielleicht gar nicht mehr brauche. In einer entscheidenden Phase des Wahlkampfes schießt der Bundesvorsitzende damit der Landes-SPD ins Knie.
Gabriels Sätze sind höchst bemerkenswert, zumal sie aus dem Mund eines Politikers stammen, der maßgeblich dafür verantwortlich war, dass die SPD in Sachen Stuttgart 21 von einer klaren Pro- zu einer klaren Schaun-mer-mal-Partei geworden ist. Erinnern wir uns: Nils Schmid, der Landesvorsitzende der Genossen, hatte die Idee des Volksentscheids geboren, als die Proteste gegen das Milliardenprojekt auf dem Höhepunkt waren. Der Bundesvorsitzende Gabriel hatte seine Bundestagsfraktion flugs auf dieses neue Ziel eingeschworen. Wolfgang Drexler, ein Urgestein der baden-württembergischen SPD, hatte deswegen seinen Rücktritt vom Amt des Stuttgart-21-Sprechers eingereicht. Die SPD in der Landeshauptstadt und in der Region hatte nicht gewusst, wie ihr geschieht. Immerhin daran hat sich nichts geändert.
Ansonsten aber öffnet sich die SPD mit dieser wachsweichen Abkehr ihrer bisherigen wachsweichen Position zu Stuttgart 21 für einen möglichen Koalitionspartner CDU. Aber die Genossen könnten vielleicht auch mit den Grünen, denn vielleicht braucht man den Volksentscheid ja doch; Genaues weiß man nicht. Wer aber braucht Politiker, die heute nicht wissen, was sie morgen wollen, weil sie vergessen haben, wofür sie gestern noch standen?