OB Schuster findet den Draht zu den kritischen Bürgern nicht. Das wurde am Mittwochabend auf dem Marktplatz deutlich, schreibt Thomas Borgmann.  

Stuttgart - Spätestens am 7. Januar 2012 wird sich der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt erklären: Bewirbt er sich im Herbst kommenden Jahres um seine dritte Amtszeit, oder verlässt er nach 16 Jahren das Rathaus? Wolfgang Schuster hat sich nach eigenem Bekunden noch nicht entschieden - seit Mittwochabend weiß er immerhin, was ihn, sofern er wieder antritt, im Wahlkampf erwarten würde: Demonstrationen und heftige Pfeifkonzerte, Sprechchöre und persönliche Angriffe. Einen kleinen Vorgeschmack darauf hat der Oberbürgermeister auf dem Marktplatz bekommen.

 

Die Volksversammlung zu Stuttgart21 unter dem Motto "Frieden für Stuttgart?" ist zwar friedlich verlaufen, ein Dialog zwischen den Gegnern und Wolfgang Schuster, dem dienstältesten Befürworter des Projekts, erwuchs aber nicht. Und es deutet auch nichts darauf hin, dass es diesen Dialog irgendwann geben wird. Die Gegner, bestens vorbereitet, waren in der Überzahl, die Befürworter haben ihren Oberbürgermeister ziemlich im Stich gelassen. Und Wolfgang Schuster vergab einmal mehr die Chance, einen Draht zu denjenigen zu finden, die ihn süffisant dazu auffordern, erneut zu kandidieren - um ihn endlich abwählen zu können. Im öffentlichen verbalen Schlagabtausch mit seinen Kritikern mangelt es dem Rathauschef an der Schlagfertigkeit, an der entwaffnenden Portion Humor und auch an dem Mut, dem einen oder anderen, der die Polemik überzieht, mit deutlichen Worten Paroli zu bieten.

Schwer zu sagen, ob die Frage "Frieden für Stuttgart?" in absehbarer Zeit mit einem ehrlichen Ja beantwortet werden kann. Die grün-rote Landesregierung ist uneins, der Bürgerzorn ungebrochen. Immerhin steht nun fest, dass der geplante Abbruch des Südflügels am Hauptbahnhof nicht vor der Volksabstimmung beginnen wird, und die Landes-FDP hat erklärt, nicht gegen das Ausstiegsgesetz vor dem Staatsgerichtshof zu klagen. Das alles soll dem Frieden in Stuttgart dienen. Doch salopp gesagt: die Kuh ist noch lange nicht vom Eis.