Mit Wirtschaftsstrafverfahren ist die Justiz oft überfordert. Befriedigend ist es nicht, wenn sie wie in einem Ravensburger Fall nach allzu langen Ermittlungen mit einem „Deal“ enden, kommentiert StZ-Autor Andreas Müller.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Am Ende ging alles schnell, fast zu schnell. Über Wochen hinweg wollte das Amtsgericht Ravensburg eigentlich die Vorwürfe gegen einen politisch gut vernetzten Unternehmer aufarbeiten. In den seit 2011 laufenden Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung und mehr hatte die Staatsanwaltschaft Dutzende Aktenordner gefüllt und Zeugen benannt. Doch so zäh sich das Verfahren lange hingeschleppt hatte, so flott wurde es nun mit einem Deal abgeschlossen: schon am ersten Verhandlungstag kamen ein Geständnis und das Urteil. Der Firmenchef, der sich öffentlich als Vorbild mit doppeltem Senatoren-Titel geriert hatte, wollte den Prozess offenkundig so schnell wie möglich hinter sich bringen. Und das Gericht wirkte dankbar dafür, dass ihm eine mühsame Beweisaufnahme erspart blieb.

 

Überfordert mit komplexen Sachverhalten

Befriedigend ist das Ergebnis dennoch nicht. Die lange Dauer und der kurze Prozess – beides ist den beschränkten Ressourcen der Justiz geschuldet. Mit den komplexen Sachverhalten in Wirtschaftsverfahren tut sie sich oft schwer, unvertretbar lange ziehen sich diese hin. Umso größer ist die Neigung, sich am Ende auf einen Handel einzulassen, zu Lasten einer transparenten öffentlichen Aufarbeitung. Bei der Strafe fällt dann noch mildernd ins Gewicht, dass die Taten schon so lange her sind. Dem Gesetz mag damit Genüge getan sein – aber auch der Gerechtigkeit?