Waffen für die Kurden sind zwar ein Tabubruch, aber keine Blaupause für die Zukunft. Der Beschluss darüber ist auch nicht der Vorbote einer weiteren Militarisierung der Sicherheitspolitik, meint StZ-Redakteurin Bärbel Krauß.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Vielleicht werden Historiker die ersten 25 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges einmal als goldenes Zeitalter Europas und vor allem Deutschlands einordnen. Die Bundesrepublik hat den Glücksfall der Wiedervereinigung erlebt. Der Westen war lange von der Hoffnung getragen, dass sich nach dem Ende der Sowjetunion mit Russland ein gedeihliches Miteinander und mithin eine bessere Weltordnung gestalten lassen. Es herrschte tiefer Frieden in Europa, trotz des Krieges in Ex-Jugoslawien in den neunziger Jahren, an dem die Bundeswehr mit Luftschlägen beteiligt war; trotz Al Kaida und Afghanistan, trotz Militäreinsätzen in Afrika und vor der Küste des Libanon.

 

Leicht waren diese Missionen nicht durchzusetzen für die jeweiligen Regierungen. Und sie waren nicht leicht auszuhalten für die Bürger, die aus zwei Weltkriegen vor allem eine Lehre gezogen haben: Nie wieder Krieg. Diese Lehre aus der Geschichte ist auch heute unangefochten. Der Konsens darüber, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen soll, könnte breiter nicht sein. Das zählt zum guten Teil unseres historischen Erbes ebenso wie der Fakt, dass die Republik ihre Interessen nicht national, sondern kollektiv definiert: in Europa, innerhalb der Nato und der UN.

Seite an Seite mit europäischen Partnern

Das alles liefert aber keine Antwort auf die Frage, was Deutschland tun soll, wenn anderswo auf der Welt Krieg, Gewalt und Terror herrschen, die es zu stoppen gilt, auch weil sie unsere kollektiven Interessen bedrohen. So ist es jetzt im Irak, der zu zerbrechen droht, wenn die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sich dort festsetzen und die Keimzelle eines möglicherweise weltweiten dschihadistischen Terrors etablieren kann. Um das zu verhindern wird Deutschland auf Basis einer UN-Resolution Seite an Seite mit europäischen Partnern den gegen den IS kämpfenden Kurden Waffen liefern. Das kann man kritisieren: einerseits weil das Entsenden internationaler Bodentruppen größere Erfolgsaussichten haben dürfte und die Waffenhilfe gemessen daran als bequemere Ersatzhandlung erscheint; andererseits weil im Ernstfall kaum zu verhindern ist, dass mit diesen Waffen auch andere als die von uns gewünschten Ziele verfolgt werden.

Die Entscheidung dazu ist insofern ein Tabubruch, weil es das erste Mal ist. Noch nie hat eine deutsche Regierung die Kampfkraft einer Kriegspartei in einem akuten Konflikt durch Waffenlieferungen so substanziell zu steigern versucht und die damit verknüpften Risiken – Zehntausende Gewehre und Pistolen können sehr leicht in andere Hände gelangen – in Kauf genommen. Erträglich wird die Entscheidung, weil die Regierung im Rahmen der Möglichkeiten Sicherheitsmaßnahmen getroffen hat, um ein Mindestmaß an Kontrolle über die Waffen zu behalten; weil die Lieferungen eingebettet sind in humanitäre Hilfen und in eine politisch-diplomatische Initiative zum Zusammenhalt des Irak. Akzeptabel wird der Beschluss, weil Berlin gemeinsam mit den Partnern agiert.

Kein Vorbote weiterer Militarisierung der Sicherheitspolitik

Eine Blaupause für künftige Krisen ist der Beschluss nicht. Er ist auch nicht der Vorbote einer weiteren Militarisierung der Sicherheitspolitik. Deutschland wird sich auch in künftigen Krisen unterschiedlich verhalten, weil jeder Konflikt seine eigenen Gesetzmäßigkeiten hat. Es gibt keine einfachen Rezepte, keine Aussichten auf einfache militärische Erfolge, keine einfache Moral. Einfach ist nur das Gebot, an der Seite der Partner zu bleiben.

Die Gewalt in Nahost und vor allem Russlands Bereitschaft zur Aggression lassen die Hoffnung auf eine friedlichere Welt schwinden. Das wird die UN schwächen und das gemeinsame Handeln erschweren. Es stellt die Nato – und damit Deutschland – vor die Aufgabe, Osteuropas Sicherheit im Sinne vorsorgender Verteidigungspolitik neu zu denken und zu organisieren. Das zeigt: Die einfachen Zeiten sind vorbei.