Die „Koalition der Willigen“, die unter Führung der USA gegen den Terror des „Islamischen Staats“ kämpft, hat kein gemeinsames Ziel. Dieses Manko schwächt sie, kommentiert der StZ-Korrespondent Martin Gehlen.

Kairo - Wie immer bei Militäraktionen gibt es auch im Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat keinen Mangel an bombastischer Rhetorik. US-Präsident Barack Obama propagiert einen Krieg gegen das Netzwerk des Todes. Sein Außenminister John Kerry beschwört einen weltweiten Kraftakt, um den Tumor des IS-Terrors auszumerzen. Seit einer Woche nun laufen die Luftangriffe gegen den Islamischen Staat auf syrischem Boden. „Schulter an Schulter“, wie Obama betont, sind fünf arabische Staaten mit dabei, während sich die übrigen drei Viertel wie gewohnt abseitshalten. Diese sunnitische „Koalition der Willigen“ soll den amerikanischen Angriffen Legitimität verleihen und der Kritik im Nahen Osten an neuerlichen westlichen Bomben auf arabische Muslime die Spitze nehmen.

 

Doch der Bündnisschwur der fünf Monarchen wird schon bald zerfasern. Alle Potentaten fühlen sich von der radikalen Dynamik in ihrer Region bedroht, keiner jedoch ist bereit, sich mit den Wurzeln des IS-Albtraums zu beschäftigen: der verrotteten arabischen Staatlichkeit, dem Fehlen vitaler Zivilgesellschaften sowie der mit Golf-Milliarden jahrzehntelang gesponserten radikalislamischen Weltmission. Lieber wird die existenzielle Krise mit billigen PR-Aktionen übertüncht. Die Vereinigten Arabischen Emirate, die jeden Internetkritiker des Emirs mit Gefängnis bedrohen, bejubeln ihre einzige Kampfpilotin als neue Ikone der Freiheit. Seitdem fliegt die 35-Jährige als Jeanne d’Arc des Orients durch die Lüfte. Saudi-Arabien, wo Frauen noch nicht einmal Auto fahren dürfen, steuert als ritterlichen Freiheitskämpfer einen echten Fürsten bei, den Sohn des Kronprinzen, der jetzt angeblich über Syrien sein Vaterland verteidigt.

Die strategischen Ziele sind unvereinbar

Anders als diese PR-Mätzchen jedoch sind die strategischen Militärziele der arabischen Koalitionäre in Syrien de facto unvereinbar. Jordanien befürchtet, bald das nächste Opfer der IS-Sturmtruppen zu sein, und versteht seine Lufteinsätze unmittelbar jenseits der Grenze als eine Art Vorneverteidigung. Das Königshaus weiß, dass es in der eigenen Bevölkerung Sympathien für die IS-Barbaren gibt. Zudem beherbergt Jordanien mehr als 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge. Und so möchte Amman auf keinen Fall in Verbindung gebracht werden mit Luftschlägen auf Dörfer und Städte, bei denen unter Umständen auch Zivilisten sterben.

Katar wiederum, das bisher keinen einzigen seiner Mirage-Jets in die Luft gebracht hat, will sich vor allem aus der Schusslinie der übrigen Golfstaaten bringen. Saudi-Arabien als Schwergewicht der gekrönten Allianz versteht, ähnlich wie die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain, die Luftangriffe als Beginn des lange geforderten internationalen Eingreifens, um das verhasste Assad-Regime zu beseitigen. Das Königreich spekuliert darauf, dass die USA, die die Hauptlast der Militäreinsätze tragen, mit der Zeit automatisch in Kämpfe mit Assads Verbänden verwickelt werden, sollte dessen Luftabwehr zum Beispiel einen US-Jet vom Himmel holen.

Die USA sind nicht mehr an Assads Sturz interessiert

Doch diese Rechnung könnte sich als Fehlkalkulation erweisen und die ungleichen Partner schon bald entzweien, denn Washington ist strategisch nicht mehr an einem raschen und gewaltsamen Sturz von Assad interessiert. Auf syrischem Staatsgebiet ist die Armee des Diktators momentan die einzige Truppe, die den IS-Extremisten militärisch etwas entgegenzusetzen hat. Käme es dagegen zu einem von der „Koalition der Willigen“ herbeigebombten Kollaps des Damaskus-Regimes, wären radikale Islamisten die neuen Chaosherren im Land. Eine Bodenoffensive mit westlichen Soldaten in Syrien wäre dann wohl unvermeidlich. Und die Vereinigten Staaten müssten – zusammen mit ihren europäischen Verbündeten – zurück in den nahöstlichen Kriegssumpf.