Das Stuttgarter Arbeitsgericht hat entschieden, dass ein von Verdi geplanter Warnstreik am Mittwoch nicht stattfinden darf. Das Urteil ist nicht nur sachgerecht, sondern gibt auch über den Einzelfall hinaus Rechtssicherheit, meint StZ-Lokalchef Holger Gayer.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Eindeutiger hätte das Urteil nicht ausfallen können. Verdi hat eine krachende Niederlage eingesteckt – verursacht von einem spektakulären Eigentor. Das Arbeitsgericht hat der Dienstleistungsgewerkschaft verboten, zu Warnstreiks aufzurufen, um der Forderung nach einer Mobilitätszulage für die Beschäftigten der Stadt Stuttgart Nachdruck zu verleihen. Die Richter sind also zu hundert Prozent den Argumenten der Verwaltung gefolgt, die eine solche Zulage als Bestandteil des ganz regulären Arbeitslohnes ansähe – wenn sie denn vereinbart würde. Damit steht am Ende eines kurzen Prozesses ein Urteil, das nicht nur sachgerecht ist, sondern auch über den Einzelfall hinaus Rechtssicherheit gibt. Letztlich haben die Richter sogar etwas getan, was ganz im Sinne der Gewerkschaft sein müsste: Sie haben bestätigt, dass der Tarifvertrag gilt, und zwar so lange, wie es bei seinem Abschluss vereinbart wurde. Wer während der Laufzeit versucht, etwas an den vereinbarten Klauseln zu verändern, wird scheitern. So lautet die Botschaft.

 

Verdi muss freilich noch lernen, dass dieses eigentlich vollkommen selbstverständliche Prinzip für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen gilt. Und damit auch für eine Gewerkschaft, die sich und ihre Möglichkeiten in einem bemerkenswerten Ausmaß überschätzt hat.

Niederlage mit Ansage

Denn tatsächlich war dies eine Niederlage mit Ansage. Selbst die versiertesten Rhetoriker können kaum wegdiskutieren, dass eine pauschale Zulage von monatlich 180 Euro für alle Mitarbeiter nichts anderes ist als ein Bestandteil des regulären Lohnes. Die Basisvergütung aber ist durch den Tarifvertrag geregelt, und solange der läuft, gilt die Friedenspflicht.

Möglicherweise hätte die rechtliche Wertung schon ganz anders ausgesehen, wenn Personalrat und Gewerkschaft sich an den Ausgangspunkt des Streits erinnert und nicht eine Zulage gefordert hätten, die mit der Gießkanne über alle Beschäftigten – also auch über die Gutverdiener – verteilt wird. Ursprünglich ging es darum, Erzieherinnen, Krankenpfleger und andere schlecht bezahlte Bedienstete so zu fördern, dass sie auch in einer teuren Großstadt von ihrer Arbeit leben können. Dieses Ziel muss nicht ausschließlich über eine Gehaltserhöhung erreicht werden. Bestandteil einer Lösung können auch günstige Wohnungen oder Stadtbahnfahrkarten zum Sondertarif sein – also Reduktionen auf der Ausgabenseite der Arbeitnehmer.

An diesem Punkt können Verwaltung und Stadträte eher ansetzen als an einer pauschalen Lohnerhöhung. Dies zu erkennen und selbst entsprechende Vorschläge zu unterbreiten, könnte nun eine kluge Taktik für die unterlegenen Gewerkschafter sein. Denn am Ende kann eine gute Lösung des Konflikts nur gelingen, wenn es keine Verlierer mehr gibt.