Die Familienpolitik der Bundesregierung ist aus der Balance geraten, kritisiert der Berliner Büroleiter der StZ, Armin Käfer. Dennoch sieht er in der Debatte um das Betreuungsgeld auch viele ideologische Schaukämpfe.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Was würden wir eigentlich sagen, wenn andere sich dieses Betreuungsgeld ausgedacht hätten? Etwa die Griechen oder die Spanier. Was wäre, wenn die Parlamente in Athen oder Madrid eine Prämie beschlossen hätten, die es gibt, wenn staatlich subventionierte Einrichtungen nicht benutzt werden? Die Frage hat der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück aufgeworfen. Sie verdeutlicht, wie unsinnig die neue Sozialleistung ist, die Eltern 2013 erhalten sollen. Steinbrück vergaß allerdings zu erwähnen, dass er selbst das Betreuungsgeld 2008 abgenickt hatte, als er noch mitregieren durfte. Solche Erinnerungslücken schaden der eigenen Glaubwürdigkeit. Sie lassen die besten Argumente wie Heuchelei erscheinen.

 

Dabei gibt es viele vernünftige Einwände gegen das Betreuungsgeld. Es passt nicht in die Zeit, neue soziale Wohltaten zu erfinden, für die der Staat unterm Strich immer noch neue Schulden aufnehmen muss. Es ist überhaupt fragwürdig, den Dschungel an familienpolitischen Leistungen weiter wuchern zu lassen, ohne endlich Rechenschaft abzulegen, ob jede Vergünstigung dem deklarierten Zweck dient. In vielen Fällen wird das Betreuungsgeld eine angemessene Kinderbetreuung eher verhindern als fördern. Und natürlich werden nicht alle, die den Zuschuss kassieren, das Geld im Sinne ihrer Kinder ausgeben.

Ideologische Schaukämpfe

Die Debatte ist jedoch längst in eine Schieflage geraten. Das verbale Säbelrasseln steht in keinem Verhältnis zur Relevanz der Entscheidung. Hier werden ideologische Schaukämpfe ausgetragen. Vorab sei bemerkt: Familien, die sich entscheiden, ihre Kleinen erst mit drei Jahren in den Kindergarten zu schicken und bis dahin die Betreuung selbst zu übernehmen, verhalten sich weder frauenfeindlich noch kinderschädlich. Sie stehen inzwischen allerdings unter Rechtfertigungsdruck, was durchaus befremdlich anmutet.

Es mag serienweise Umfragen geben, die belegen, dass die meisten Bürger nichts vom Betreuungsgeld halten. Die meisten Familien, die dafür infrage kommen, werden es aber wohl in Anspruch nehmen. Der Bedarf an Krippenplätzen für Kinder unter drei wird jedenfalls auf bundesweit 39 Prozent geschätzt. Das heißt im Umkehrschluss: fast zwei Drittel dieser Kinder sollen weiterhin zu Hause betreut werden.

Die Lenkungswirkung des Betreuungsgeldes sollte nicht überschätzt werden: Erstens steht es jeder Familie frei zu entscheiden, ob Mutter oder Vater zu Hause bleiben. Zweitens werden 150 Euro im Monat kaum jemanden vom Arbeiten abhalten. Und drittens schicken gerade jene Eltern, für die solche Beträge reizvoll sein könnten, ihre Kinder schon bislang nicht in die Krippe. Sie würden auch nicht dazu animiert, wenn es kein Betreuungsgeld gäbe.

Familienpolitik aus der Balance geraten

Trotz allem trifft die Kritik Angela Merkels Regierung an empfindlicher Stelle. Ihre Familienpolitik ist aus der Balance geraten. Man darf der Kanzlerin zugutehalten, dass unter ihrer Ägide der Ausbau von Kindertagesstätten enorm beschleunigt wurde. Peer Steinbrück zum Beispiel hat diese Notwendigkeit verschlafen, als er noch Ministerpräsident in NRW war.

Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz und das Betreuungsgeld sind jedoch zwei Seiten der gleichen Medaille. Der CSU zuliebe zahlt der Bund an jene Familien, die auf den Rechtsanspruch verzichten – aber er kann nicht garantieren, dass alle ihre Kinder in einer Kita unterbringen, die darauf angewiesen wären. Daraus erwächst gesellschaftspolitischer Sprengstoff im Wahljahr. Für die Defizite beim Ausbau der Krippen kann Merkels Regierung jedoch am allerwenigsten. Sie hat ihre finanziellen Zusagen eingehalten. Am Pranger stehen vielmehr jene Länder, die zwar Geld vom Bund kassiert, aber nicht in ausreichendem Maße selbst investiert haben. Der Unmut der Eltern wird sich vor Ort entfalten. Er wendet sich dann gegen die Richtigen.