Der Staatsanwaltschaft blieb gar keine andere Wahl, als nach dem Bericht des Rechnungshofs die Ermittlungen gegen Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus einzuleiten. Zu diesem Schluss kommt StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs.

Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)

Stuttgart - So sieht ein Albtraum aus. Noch vor 18 Monaten war Stefan Mappus ein Ministerpräsident, der mit seiner Wiederwahl rechnen konnte. Es folgten – in dieser Reihenfolge – der Kauf der EdF-Anteile am Energieversorger EnBW, die Atomkatastrophe von Fukushima, die Abwahl, der Rückzug aus dem Landtag, ein Urteil des Staatsgerichtshofs über den EnBW-Deal als „nicht verfassungskonform“, die Aufgabe einer Stelle beim Pharmakonzern Merck, die Veröffentlichung entwürdigender E-Mail-Protokolle, eine verheerende Abrechnung des Landesrechnungshofs und nun die Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft nebst Durchsuchung von Wohn- und Büroräumen.

 
So sehr man die menschliche Tragödie bedauern muss, die dieser beispiellose Abstieg bedeutet, so logisch und absehbar folgt in der EnBW-Affäre ein Schritt auf den anderen. Nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs und dem Gutachten des Landesrechnungshofs blieb der Staatsanwaltschaft Stuttgart gar keine andere Wahl, als Ermittlungen aufzunehmen – zu gravierend waren die gerügten Verstöße gegen die Verfassung und die Haushaltsordnung, zu groß der vermutete materielle Schaden. Nebenbei bemerkt gibt es in Deutschland Staatsanwaltschaften, die solche Ermittlungen früher anstrengen – dass Mappus den Deal unter höchst zweifelhaften Bedingungen und an allen zuständigen Institutionen vorbei eingefädelt hat, ist nicht erst seit vergangener Woche bekannt.

Katastrophaler Flurschaden

Natürlich gilt auch für Stefan Mappus die Unschuldsvermutung. Nicht jedem Ermittlungsverfahren folgt eine Anklage, nicht jede Anklage endet mit einem Schuldspruch. Aus der Rückschau und mit heutigem Wissen um den Schaden, der dem Land durch den Rückkauf entstand, ist ein Urteil schnell gefällt. Politisch ist eine solche Beurteilung zulässig, juristisch jedoch nicht. Hier gilt es zu bewerten, ob aus der damaligen Situation heraus eine strafbare Handlung abzuleiten ist. Auch die Höhe des entstandenen Schadens ist keineswegs so eindeutig festzulegen, wie es Gutachten aus diesen Tagen glauben machen wollen.

Doch unabhängig vom Ausgang der Ermittlungen ist der Flurschaden katastrophal, den Mappus und der Spiritus Rector des Deals, der Investmentbanker Dirk Notheis, hinterlassen haben. Die CDU, die sich 58 Jahre als natürliche Regierungspartei ansah, wird noch lange Jahre am Erbe ihres 15-Monats-Regierungschefs zu knabbern haben. Die zarten Absetzbemühungen, an denen sich Parteichef Thomas Strobl und Fraktionsvorsitzender Peter Hauk versuchen, werden auf Dauer nicht ausreichen. Wenn die CDU wieder regierungsfähig werden will, muss sie schonungslos aufarbeiten, wie es passieren konnte, dass sie sich vom Machtmenschen Mappus so sehr hat auf Linie bringen lassen, dass die schwarz-gelbe Koalition ihrer eigenen Entmachtung – und der des Parlaments – noch applaudierend zugesehen hat. Das wird schmerzhaft, und es wird dauern.

Zweifel an der Integrität der Handelnden

Wenn der störrische Auftritt im EnBW-Untersuchungsausschuss als Anhaltspunkt gelten darf, kann die Partei dabei nicht auf Einsicht oder Entgegenkommen ihres einstigen Vorsitzenden zählen. Die Traumschiffaffäre von Lothar Späth scheint da als Vergleich noch zu harmlos. Eher bietet sich die Analogie zur Parteispendenaffäre unter Helmut Kohl an, die die Union viele Jahre gebeutelt hat.

Viele Jahre wird es wohl auch dauern, bis das Vertrauen in die politische Kultur wiederhergestellt ist. Wer die kaltschnäuzigen Mails eines Dirk Notheis gelesen hat und gesehen hat, wie ein Ministerpräsident dem Banker treu gefolgt ist, dem kommen zwangsläufig Zweifel an der Integrität der Handelnden. Ob und inwieweit Mappus und Notheis juristisch für den angerichteten Schaden verantwortlich sind, spielt vor diesem Hintergrund fast schon eine untergeordnete Rolle.