Investitionen tun Not, solide Etats auch. Endlich versuchen die EU-Länder beides unter einen Hut zu bringen, doch Fragen bleiben, meint der StZ-Brüssel-Korrespondent Christopher Ziedler.

Brüssel - Die Wirtschaftsaussichten in Europa werden noch trüber – dabei hat die Europäische Zentralbank die geldpolitischen Gegenmaßnahmen vermutlich schon über das Erlaubte hinaus ausgereizt. Insofern ist es begrüßenswert, dass wieder die Politik das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen scheint. Das nun vom EU-Gipfel im Grundsatz gebilligte Investitionspaket kann den nötigen Impuls für einen Aufschwung setzen.

 

Wo aber Geld in den durch die Krise ausgemergelten Staatshaushalten fehlt, muss ein wenig getrickst werden. So soll eine öffentliche Garantie von 21 Milliarden Euro – gespeist aus dem EU-Haushalt und von der Europäischen Investitionsbank – Kapitalgebern die größten Projektrisiken abnehmen und damit private Investitionen von 315 Milliarden Euro auslösen. Noch mehr, wenn die Mitgliedstaaten den Fonds mit eigenen Bürgschaften aufstocken.

Um das zu ermöglichen, hat Bundeskanzlerin Merkel ein begrenztes, aber doch symbolträchtiges Zugeständnis gemacht: Sie billigte im Prinzip die Absicht der neuen EU-Kommission, nationale Beiträge „stabilitätspaktneutral“ zu werten. Wären sie der Grund dafür, dass ein Land die Maastricht-Kriterien bräche, will die Brüsseler Behörde künftig ein Auge zudrücken.

Sparen alleine reicht nicht aus

Das ist eine durchaus vertretbare Kurskorrektur, da nach Jahren der Haushaltskonsolidierung bisher kaum ersichtlich ist, dass sich Europa aus der Krise heraussparen könnte. Nicht wenige Ökonomen fordern sie schon lange. Ex-Außenminister Joschka Fischer hat gerade erst gemahnt, die Deutschen dürften sich nicht nur von Inflationsangst leiten lassen, sondern müssten auch Reichskanzler Brünings fatale Sparpolitik in Hinterkopf haben.

Fatal wäre aber auch, wenn die punktuell flexiblere Auslegung des Stabilitätspaktes als Freibrief verstanden würde, das Geld wieder mit vollen Händen auszugeben, was mit zur Eurokrise beigetragen hat. Hier müsste die EU-Kommission beispielsweise Frankreichs Staatschef Francois Hollande klarmachen, dass die Regelung nur gilt, wenn seine Zahlen sonst in Ordnung sind.

Überhaupt ist die Investitionsoffensive noch von vielen Ungereimtheiten begleitet. Wie soll es etwa zusammengehen, dass die Investitionslücken in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich groß sind, es aber keine nach politischen Gesichtspunkten betriebene Projektauswahl geben soll? Die Projekte nach Wirtschaftlichkeitskriterien auszusuchen wiederum ist wichtig, weil öffentliches Geld im Feuer steht. Und wie wird sichergestellt, dass es keine Mitnahmeeffekte gibt, Privatanleger sich also ohnehin geplante Vorhaben subventionieren lassen? Und schließlich war das Geld im EU-Etat ja schon für sinnvolle grenzüberschreitende Verkehrs- und Energienetzprojekte vorgesehen. Fließt ein Teil davon nun in Atomkraftwerke, wie die Briten das wollen? Von der konkreten Ausgestaltung des Investitionspakets im Gesetzgebungsprozess hängt nun viel ab. Dort müssen die vielen Bedenken ausgeräumt werden.