Die Ergebnisse des EU-Türkei-Gipfels vom Montag könnten ein Durchbruch in der Flüchtlingskrise sein – aber die EU lässt sich nicht mit dem besten Partner ein, beklagt unser Brüsselkorrespondent Christopher Ziedler.

Brüssel - Die beste Bewertung dieses EU-Gipfels hat Angela Merkel selbst abgegeben. Ihrer Feststellung, es handele sich um einen „Durchbruch, wenn er realisiert wird“, ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Die Bundeskanzlerin ist ihrem Ziel, die Flüchtlingszahlen schon an der Außengrenze des Schengenraums und nicht über nationale Grenzschließungen entlang der Balkanroute nur für einige wenige zu erreichen, rechtzeitig vor den Landtagswahlen am Sonntag ein großes Stück näher gekommen. Das Angebot der Türkei, bei entsprechenden Gegenleistungen alle per Boot in Griechenland ankommenden Menschen zurückzunehmen, könnte tatsächlich die angestrebte Wende in der europäischen Flüchtlingskrise bringen.

 

Merkel bezeichnete es in Brüssel als „Schlussmaßnahme in einer ganzen Kaskade von Maßnahmen“. Rechtzeitig zum Gipfel und vor den Wahlen hat nun mit Verzögerung beispielsweise auch der Nato-Überwachungseinsatz in der Ägäis begonnen.

Mehr, als man erwarten konnte

Einzig, das Abkommen mit Ankara ist noch nicht in trockenen Tüchern. Dazu haben dessen Premier Ahmet Davutoglu und vielleicht auch Merkel selbst die anderen EU-Staats- und Regierungschefs zu sehr überrumpelt. Sie erfuhren erst am Montagmittag von den neuen Plänen. Da ist die nun erreichte Grundsatzeinigung mehr, als erwarten werden konnte.

Wirklich verabschiedet werden soll das Ganze aber erst beim nächsten EU-Gipfel in der nächsten Woche – und damit ein paar Tage, nachdem in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt über Merkels Flüchtlingskurs abgestimmt worden ist. Den verfolge sie „unbeschadet irgendwelcher Termine“, hat die CDU-Chefin nun erneut beteuert. Wirklich abnehmen kann man ihr das nur schwer.

Und wann reden wir über Pressefreiheit?

Schwer wiegen auch die inhaltlichen Bedenken, die mit dem sich nun abzeichnenden EU-Türkei-Deal verbunden sind. Von einem juristischen und menschenrechtlichen Standpunkt her stellt sich die Frage, ob es wirklich reicht, die Türkei zum sicheren Drittland zu erklären, um von dort kommenden Menschen eine Prüfung ihres Asylantrags zu verwehren und diese in die Türkei zu verlagern – mit der nur vagen Aussicht Teil eines Umsiedlungsprogramms in die EU zu werden.

Nicht weniger gravierend ist die politische Abhängigkeit von der Türkei, in die sich die europäische Gemeinschaft begibt. Die Regierungspolitik in Ankara gegenüber den Kurden und kritischen Journalisten macht sie nicht eben zu einem attraktiven Partner. Die strategische Bedeutung jedoch ist so groß geworden, dass schon Ende Juni alle Türken ohne Visum nach Europa reisen können sollen und nun sogar der EU-Beitrittsprozess beschleunigt wird. Dann sollen kritische Fragen zur real existierenden Pressefreiheit in der Türkei gestellt werden. Angeblich.