Das Freihandelsabkommen TTIP kommt bei vielen Bürgern nicht gut an. Baden-Württemberg und andere Bundesländer schlagen trotzdem einen pragmatischen Kurs ein. StZ-Wirtschaftskorrespondent Roland Pichler lobt den Vorstoß.

Berlin - Auf den ersten Blick ist es ein bekannter Reflex der Bundesländer. Auf Initiative von Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hamburg soll der Bundesrat am heutigen Freitag beschließen, dass ohne die Länderkammer beim Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA nichts geht. Die Länder pochen beim Abbau von Zöllen und der Vereinheitlichung von Standards auf ein Mitspracherecht. Dies ist keineswegs so ungewöhnlich, wie es zunächst erscheint. Die Ministerpräsidenten haben in außenpolitischen Belangen zwar wenig zu melden, doch schon frühere Freihandelsabkommen mussten den Bundesrat passieren. Aus Sicht Brüssels mag es zwar überflüssig erscheinen, dass bei den ohnehin schon komplizierten Verhandlungen nicht nur die Interessen von 28 EU-Mitgliedstaaten zu berücksichtigen sind. Wenn auch noch der Bundesrat seine Forderungen stellt, mag das die Kommission nerven. Was die Länder fordern, ergibt sich aber aus der Verfassung des föderalen Staates. Brüssel ist gut beraten, die Sorgen ernst zu nehmen.

 

Die Initiative von fünf Bundesländern ist auch aus anderem Grund aufschlussreich. Es sind die Länder mit Ministerpräsidenten von SPD und Grünen, die im Bundesrat aktiv werden. Nicht zufällig sind darunter Länder mit starken Industriestandorten. Brisant ist, dass die Grünen in den Ländern anders als viele grüne Bundestagsabgeordnete das Freihandelsabkommen keineswegs in Bausch und Bogen ablehnen. Auch die Länder wollen ihr Plädoyer zwar keineswegs als Freibrief verstanden wissen. Sie fordern ähnlich wie die Bundesregierung, dass Sozial- und Umweltstandards erhalten bleiben. Indem die Landespolitiker Gesprächsbereitschaft erkennen lassen, senden sie eine Botschaft aus: Es reicht nicht, das Abkommen unter Verweis auf Mutmaßungen zu verdammen. Diese Botschaft richtet sich an die eigenen Reihen. Es ist ein gutes Zeichen, dass die Länder zur sachlichen Diskussion bereit sind. Vor allem bei den Grünen dürfte das Bekenntnis noch zu Ärger führen: Wieder einmal droht ein Konflikt zwischen Pragmatikern und Ideologen.