Die Hamas ist zu Verhandlungen mit Israel bereit. Doch jetzt sind konkrete Schritte gefragt, meint der StZ-Redakteur Knut Krohn.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Gaza/Jerusalem - Die Eltern von Gilad Schalit mahnen zur Vorsicht. Von Optimismus und Glück reden sie - und von der sehr großen Angst, dass noch etwas schiefgehen könne. Zwei Mal stand eine Übergabe des vor fünf Jahren entführten Israeli aus den Händen der radikalislamischen Hamas kurz bevor, zwei Mal ist sie geplatzt.

 

Diese Haltung der Eltern sollte den internationalen Vermittlern in Nahost zum Vorbild werden: was zählt, sind Tatsachen, keine Träume. Diese bittere Erfahrung musste zuletzt US-Präsident Barack Obama machen. Der schürte in einem Anflug politischer Naivität vor einem Jahr bei den Palästinensern die Hoffnung auf einen von den Vereinten Nationen anerkannten Staat und zerstörte diesen Traum dann selbst wieder mit dem US-Veto im UN-Sicherheitsrat.

Dieses Mal sprechen aber viele Fakten dafür, dass Gilad Schalit im Austausch gegen über 1000 palästinensische Gefangene freikommen kann. Zum ersten Mal wird öffentlich, dass Israel und die Hamas direkte Gespräche führen und diese zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht haben. Doch noch einmal: Euphorie ist völlig fehl am Platze. Beide Seiten haben sich nicht freiwillig aufeinander zubewegt. Sie haben sich miteinander verständigt, weil sie nach Jahren des Krieges und vielen Toten das eigene Scheitern einsehen mussten.

Israel in der Isolation

Israel hat vor fünf Jahren den Gazastreifen abgeriegelt. Zuerst wollte die Regierung in Jerusalem die Freilassung von Gilad Schalits erzwingen. Dann begründete Israel die Sperre mit der Herrschaft der Hamas.

Doch der junge Soldat blieb angekettet in einem Kellerloch, die Hamas wurde nicht in die Knie gezwungen und die Hoffnung auf einen Aufstand der moderaten Palästinenser gegen die Radikalislamisten zerschlug sich. Unter dem Strich steht eine Bankrotterklärung der Blockadepolitik. Schließlich wurde Jerusalem von den Ereignissen des Arabischen Frühlings überrascht, reagierte aber in den alten Verhaltensmustern der Abwehr und selbstbezogenen Alleingänge.

So wurden unbeirrt Siedlungen in Ostjerusalem gebaut, um die dort lebenden Palästinenser zurückzudrängen. Die Freunde des Staates Israel reagierten zunehmend irritiert, und zuletzt musste Premierminister Benjamin Netanjahu erkennen, dass er sein Land in die Isolation getrieben hat.

Eie gute Botschaft für den Nahen Osten

Auf der Gegenseite realisierte die Hamas, dass ihr Einfluss bei den Palästinensern rapide sank. Die meisten Menschen im Gazastreifen leben in unbeschreiblicher Armut, und sie wünschen sich nichts sehnlicher als eine Übereinkunft mit Israel, die ihnen das Leben erleichtert. Gleichzeitig hat Präsident Mahmud Abbas, der bei den Palästinensern in der Westbank das Sagen hat, mit seinem politischen Vorstoß bei den UN an Ansehen gewonnen.

Dieser Schritt ist allerdings vor allem symbolischer Natur, während der Empfang von über 1000 freigelassenen Palästinensern im Gazastreifen ein weithin sichtbarer Triumphzug für die Hamas werden wird.

Wichtiger für den Friedensprozess aber ist, dass die Hamas sich mit diesem Abkommen endlich als in engen Grenzen willigen und auch ernst zu nehmenden Verhandlungspartner ins Gespräch gebracht hat - das ist die eigentlich gute Botschaft für den Nahen Osten. Diese Chance muss nun ergriffen werden. Dabei darf aber nicht Zeit damit vergeudet werden, neue Ideen zu ersinnen, wie die Region in der Theorie zu einem möglichen Frieden kommen könnte.

Gefordert sind jetzt konkrete Schritte

Die Pläne dafür liegen zuhauf in den Schubladen verschiedener Vermittlergruppen. Angefangen von den Oslo-Vereinbarungen Anfang der 90er Jahre bis hin zur "Roadmap für den Frieden" aus dem Jahr 2003.

Gefordert sind jetzt konkrete Schritte. Das könnte von Seiten Israels ein wirklicher Stopp des Siedlungsbaus sein und von der Hamas die Anerkennung Israels. Was der Nahe Osten nach Jahrzehnten der enttäuschten Hoffnungen braucht, sind Tatsachen, keine Träume.