Die IHK hat vor Gericht eine herbe Niederlage erlitten - mit Auswirkungen auf die Lobbyarbeit, meint StZ-Lokalchef Achim Wörner.

Regio Desk: Achim Wörner (wö)

Stuttgart - Als die Massenproteste gegen Stuttgart 21 anhoben, war es lange allzu still aufseiten der Befürworter. Allein die Industrie- und Handelskammer (IHK) erwies sich für die Bauherrin Bahn samt den Kofinanziers von Bund, Land, Stadt Stuttgart und Region stets als verlässlicher, auch breit in die Öffentlichkeit wirkender Partner. Eben dieses bis heute ganz eindeutige, im Wortsinn plakative Engagement für das umstrittene Milliardenprojekt ist nun allerdings richterlich unterbunden worden - und die Argumentation der Justiz ist nicht von der Hand zu weisen.

 

Tatsächlich kann die IHK - und dieses Recht wird nicht bestritten - sich in grundsätzlichen wirtschaftlichen und politischen Fragen positionieren. Als eine öffentliche Körperschaft, die kraft Gesetzes Zwangsmitglieder rekrutiert, sollte sie sich aber bei einzelnen Projekten, zumal derart umstrittenen wie Stuttgart 21, zurückhalten. Das Urteil ist insofern einleuchtend - und doch birgt es bei näherer Beschau enorme Brisanz. Denn das ultimativ verlangte "höchstmögliche Maß an Objektivität" schränkt die Handlungsmöglichkeiten der Handelskammer künftig empfindlich ein - und dies nicht nur beim Tiefbahnhof. Im Kern steht damit das bisherige Selbstverständnis auf dem Spiel, sich nicht nur mit Allgemeinplätzen, sondern konkreten Vorschlägen ins politische Geschehen einzumischen. Zwar mögen die Themen in aller Regel nicht die Sprengkraft von Stuttgart21 besitzen; bis in die eigenen Reihen der IHK hinein kontrovers diskutiert werden aber auch sie, wie etwa der Ausbau des Nord-Ost-Rings, die Zukunft des Verbandes Region Stuttgart oder die Forderung nach Zuwanderung.

Erschwerend kommt hinzu, dass es im Moment - je nach Gericht - unterschiedliche Rechtsprechungen gibt. In Karlsruhe beispielsweise ist ein - zugegeben, etwas anders gelagerter - Stuttgart-21-Prozess genau gegenteilig ausgegangen: zugunsten der IHK. Insofern tut eine Klärung vor dem übergeordneten Verwaltungsgerichtshof Mannheim wohl not. Dazu muss die Stuttgarter Kammer die Initiative ergreifen.