Wer kein Fernsehgerät hat, kann nicht das volle öffentlich-rechtliche Programm sehen – obwohl er dreimal so viel an die GEZ überweist wie vor der Gebührenreform. Das ist ein Grund, sich zu empören, findet der StZ-Redakteur Jan Georg Plavec.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Es gibt gute Gründe, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht mehr mit einem geräteabhängigen Modell zu finanzieren. Einer davon lautet, dass (fast) alle Geräte all das empfangen können, was die vom Steuerzahler finanzierten Anstalten in die (inzwischen voll digitalisierte) Welt hinaussenden. So wird auch auf einer von den Sendern gemeinschaftlich eingerichteten Website prominent und für jeden leicht nachzulesen argumentiert.

 

Leider hat diese Argumentation einen gewaltigen Schönheitsfehler: die konkrete Übertragungspraxis. Besonders bei den ARD-Anstalten kann von einer flächendeckenden digitalen Ausstrahlung keine Rede sein, insbesondere beim Fernsehen. Wer kein Fernsehgerät hat, kann nicht das volle öffentlich-rechtliche Programm sehen – obwohl er inzwischen dreimal so viel an die GEZ überweist wie vor der Umstellung, mit der auch der reduzierte Tarif für Nutzer ohne Fernsehgerät weggefallen ist.

Hohe Kosten und wenig Ärger

Zwei Gründe gibt es für das mangelhafte Streaming-Angebot: die Kosten (ziemlich hoch) und den zu befürchtenden Ärger für die Verantwortlichen (ziemlich gering). Nur einer von dreißig Haushalten in Deutschland besitzt kein Fernsehgerät; das Empörungspotenzial ist also relativ gering, ebenso wie die Nutzerzahlen – zumindest verglichen mit denen, die via Kanal und Satellit erreicht werden. Jeder gute Betriebswirt – die gibt es angesichts der mantrahaft wiederholten Sparvorgaben auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten – überlegt sich da zweimal, ob er für Inhalte wirklich auch noch die teuren Online-Rechte erwerben soll.

Genau da liegt der Fehler: Die Öffentlich-Rechtlichen sind gerade nicht in erster Linie Wirtschaftsunternehmen; die wirtschaftliche Abwägung muss bei ihnen aus Prinzip zurückstehen, wenn sie mit dem Bildungs-, Informations- und Unterhaltungsauftrag kollidiert. Wo könnte dieser Auftrag stärker betroffen sein als bei der Frage, ob das von ihnen veranstaltete Programm überhaupt den Weg zum Publikum finden kann? Zumal es vor allem die jungen Nutzer sind, die zunehmend auf das Fernsehgerät verzichten. So braucht sich keiner zu wundern, wenn die Öffentlich-Rechtlichen bei den Jungen weiter an Boden verlieren. Spätestens an diesem Punkt ist es Zeit, sich zu empören.