Es ist kein Wunder, dass der Rosensteintunnel eines der umstrittensten Verkehrsprojekte der Stadt ist. Für manche gilt er als verkehrsberuhigender Heilsbringer, für andere ist er das Symbol für noch mehr Abgase. Der Streit dürfte bald vor Gericht landen, schreibt Wolfgang Schulz-Braunschmidt.

Stuttgart - Darf man in der mit Feinstaub und Stickoxiden hochbelasteten Umweltzone Stuttgart fast 200 Millionen Euro für einen Straßentunnel ausgeben, der grenzwertige Schadstoffwerte stellenweise noch erhöht? Nein, denn Grenzwerte gelten überall.

 

Es ist kein Wunder, dass der Rosensteintunnel eines der umstrittensten Verkehrsprojekte der Stadt ist. Für Bürger in Bad Cannstatt gelten die Röhren als verkehrsberuhigende Heilsbringer, in Zuffenhausen und im Osten sind sie das Symbol für noch mehr Blech und Abgase, für eine autogerechte Verkehrspolitik von vorgestern.

Freie Bahn für die Blechlawine?

Der Rosensteintunnel steht für diesen Zielkonflikt: Die einen sollen aufatmen können, andere sollen sogar künstlich beatmet werden. Damit die Blechlawine nach dem Tunnelbau ungehindert rollen kann, will die Stadt auch sechs Wohnhäuser an der Pragstraße kaufen. Was aber ändert ein Kauf an der zu dicken Luft für die Bewohner? Oder sollen die Wohngebäude in einer Stadt, in der gerade alle OB-Kandidaten für mehr bezahlbaren Wohnraum kämpfen, etwa abgerissen werden? Und das Angebot, Belüftungsanlagen einzubauen, wird von Anwohnern, die gegen überhöhte Feinstaubwerte am Neckartor klagen, bereits als Präzedenzfall gesehen, der für die Stadt sehr teuer werden könnte.

Abgesehen davon muss man fragen, ob sich Stadträte – selbst bei besten Vorsätzen – umfassend mit allen 1645 Einwänden in der 2000 Seiten starken Vorlage befassen können. Vermutlich nicht so intensiv, dass bei den Kritikern die Gewissheit aufkommt, dass ihre Einwände – im Amtsdeutsch verniedlichend „Anregungen“ genannt – ernst genommen worden sind.

Dieses Gefühl könnte nur – wie von den Tunnelgegnern gefordert – ein Erörterungsverfahren leisten, bei dem alle Kritikpunkte öffentlich und ausführlich behandelt werden. Statt dessen aber dürfte eine Mehrheit im Gemeinderat dem Vorschlag der Verwaltung folgen und die Vorlage mehr oder weniger unverändert verabschieden. Danach dürfte die „Bürgerbeteiligung“ wohl vor Gericht weitergehen.