Die Einladung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann an die sechs Kläger ist ein wichtiges Signal. Schließlich geht es auch darum, verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen, kommentiert der StZ-Redakteur Kai Müller.

Stuttgart - Keine Frage, der „schwarze Donnerstag“ hat eine tiefe Wunde hinterlassen. Fünf Jahre später kann nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts der Heilungsprozess beginnen. Weil damals Menschen zu Schaden gekommen sind, wird aber immer eine deutlich sichtbare Narbe bleiben. Die Einladung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann an die sechs Kläger ist ein wichtiges Signal. Schließlich geht es auch darum, verloren gegangenes Vertrauen in die politischen Entscheidungsträger wiederherzustellen.

 

Es überrascht schon, wie schnell die Einladung zu einem Gespräch kam. Damit hatten die Kläger nicht gerechnet. Nun mag mancher dies als Wahlkampf abtun, als einen geschickten Akt der Selbstvermarktung. Die Diktion des Schreibens spricht aber eine andere Sprache. Natürlich fällt es dem grünen Ministerpräsidenten leicht, sich für die Fehler der Vorgängerregierung zu entschuldigen. Dass er dies aber mit einem persönlichen Gespräch verknüpft, hat Stil. Trotzdem wird es kein einfacher Termin für den Regierungschef werden, denn nicht nur die persönlich Betroffenen erwarten eine Entschuldigung. Sie stehen stellvertretend für alle Demonstranten, die am 30. September 2010 im Schlossgarten gegen Stuttgart 21 protestierten. In gewisser Weise bringt Kretschmann durch seinen Vorstoß auch die Polizei in Zugzwang: Man darf gespannt sein, ob und wie diese ihr Bedauern ausdrückt. Mit seinem Satz „Der Käs isch gegessen“ im Bezug auf den Bau des umstrittenen Tiefbahnhofs hat der einstige S-21-Gegner seine früheren Mitstreiter vor den Kopf gestoßen. Jetzt zeigt er Empathie – und das ist auch bitter nötig.