Die Württembergischen Staatstheater spielen wieder und stehen vor einer spannenden Saison, sagt StZ-Redakteur Tim Schleider.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Achtung, seit Montag ist wieder Betrieb: Mit einem Tag der offenen Tür starten die Württembergischen Staatstheater in die neue Saison. Auf den Bühnen des Opernhauses und des Kammertheaters, auf dem Platz am Eckensee und im neuen Besucherzentrum an der Königstraße gibt es von Vormittag an bis tief in die Nacht ein großes Programm. Und sollte es irgendwo in dieser Stadt immer noch Menschen geben, die glauben, Staatstheater sei eine steife, allzu feierliche und unzugängliche Angelegenheit, die können sich bei den offenen Proben und Gesprächen, bei den Vorführungen der Werkstätten und den Konzerten, spätestens aber abends bei DJ-Musik und lockerem Loungeleben endlich eines Besseren belehren lassen.

 

Die Staatstheater in Stuttgart stehen vor einer spannenden Saison. An der Oper übernimmt Jossi Wieler die Intendanz, einer der bekanntesten und angesehensten Regisseure des deutschsprachigen Raums. Gemeinsam mit seinem Team soll und muss es ihm gelingen, das Stuttgarter Musiktheater wieder bundesweit ins Gespräch zu bringen - positiv, versteht sich, durch Inszenierungen, die ebenso künstlerisch wie intellektuell auf der Höhe der Zeit sind.

Der Umzug verzögert sich noch

Gesprächs- und Debattenstoff liefert das Stuttgarter Schauspiel mit seinem Chef Hasko Weber seit Jahr und Tag. Der Umzug ins rundum renovierte Schauspielhaus im Schlossgarten verzögert sich noch, doch die Zuschauer pilgern weiter gern in die coole Ausweichspielstätte an der Türlenstraße. Weber hat sein Schauspiel stets auch als politischen Ort verstanden, und gleich mit seinen ersten beiden Premieren setzt er dies unbeirrt fort: die eine beschäftigt sich mit dem dramatischen Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner am 30. September vorigen Jahres, die andere mit dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan. So wird im Staatstheater diskutiert, was anderswo längst schon wieder in den Akten schmort.

Und der Tanz? Das Stuttgarter Ballett ist und bleibt als Markenzeichen in der ganzen Welt bekannt. Sein Intendant Reid Anderson beweist, dass die Pflege einer großen Tradition möglich ist, ohne dabei den Anschluss an die nächste Generation der Künstler und der Zuschauer zu verlieren. Die Vorstellungen des Balletts in Stuttgart sind übrigens just jene mit der höchsten Kartennachfrage und der häufigsten Mitteilung am Telefon: "Leider ausverkauft."

Neugieriges und anspruchsvolles Publikum

Eben darin liegt ja der Grund für den anhaltenden Erfolg der Staatstheater in der Landeshauptstadt: im ungewöhnlich großen Interesse eines ebenso neugierigen wie anspruchsvollen Publikums. Umso ärgerlicher, dass alle Jahre wieder Interessengruppen die Debatte um angeblich viel zu hohe und sinnlos verpulverte Kultursubventionen des Staates auf den Tisch bringen wollen. Hohe Zuschüsse der öffentlichen Hand für jede Eintrittskarte an der Stuttgarter Staatsoper? Da witterte der Bund der Steuerzahler erst jüngst wieder einen Skandal und warnte vor den Schuldenbergen, die so den "nachfolgenden Generationen" zur Last gelegt würden. Natürlich ist großes Theater teuer und gerade für die Aufführung einer Oper einiger Aufwand nötig, von den Anstrengungen der Kostüm- und Bühnenbildner bis hin zu Orchester und Solisten. Die mehr als 70 Millionen Euro, die sich Stadt und Land jährlich an Zuschüssen für das Württembergische Staatstheater teilen, wollen erst einmal erwirtschaftet sein.

Aber sie sind klug angelegt. Die Staatstheater stehen an der Spitze einer Kulturlandschaft, deren Erhalt gerade auch den kommenden Generationen dient. Die Theater erzählen jene Geschichten, erörtern jene Themen, ohne die eine noch so blühende Gesellschaft über kurz oder lang ihren inneren Zusammenhalt verliert. Wie ja die Städte selbst eben in ihren Kulturbauten Zentrum und Herz haben. Mitten in Stuttgart öffnet sich am Samstag wieder der Vorhang. Gesprächsstoff ist vorhanden. Und es ist tatsächlich Kultur für alle.