Der Verwaltungsgerichtshof stellt mit seinem Urteil Bahn und Behörden kein gutes Zeugnis aus, schreibt StZ-Redakteur Achim Wörner.  

Regio Desk: Achim Wörner (wö)

Stuttgart - Wer geglaubt hat, dass sich die Auseinandersetzung über Stuttgart 21 nach der Volksabstimmung in Wohlgefallen auflösen wird, sieht sich spätestens seit Freitag eines Besseren belehrt. Der Baustopp , den der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim für den Teilbereich des Grundwassermanagements verfügte, ist ohne Zweifel eine Schlappe für die BahnAG als Bauherrin ebenso wie für das Eisenbahn-Bundesamt als Aufsichts- und Genehmigungsbehörde. Zwar ist der Anlass formaler Natur und nicht mit einem grundsätzlichen Einwand gegen das umstrittene Milliardenprojekt verbunden, der geplante Abriss des Südflügels etwa ist davon unberührt. Dennoch wird das Urteil wohl weiter reichende Auswirkungen haben als auf den ersten Blick ersichtlich.

 

Ganz vordergründig führt die Entscheidung im momentanen Kernbereich der Baustelle rund um den Stuttgarter Hauptbahnhof zu einem neuerlichen Verzug. Das muss die Stuttgart-21-Macher mehr als nur grämen. Denn die Bahn hinkt dem ursprünglichen Zeitplan schon jetzt weit hinterher. Und Zeit ist, wie allseits bekannt, auch Geld. Mehr noch: die Bauherrin wollte mit dem Rückenwind der Volksabstimmung endlich richtig durchstarten. Diese Strategie ist partiell konterkariert. Und was möglicherweise am schwersten wiegt bei alledem: die politische Entscheidung mag mit der Volksabstimmung endgültig gefallen sein, auf juristischem Wege aber ist Stuttgart21 offenbar doch angreifbar, obgleich die Bahn in der Vergangenheit alle Prozesse wegen der Neuordnung des Bahnknotens in der Landeshauptstadt gewonnen hat.

Sand ins Getriebe

Insofern gibt das Urteil den Gegnern Auftrieb, die jetzt wissen, wie sich zumindest Sand ins Getriebe streuen lässt, und die sich für weitere Klagen motiviert sehen. Das eigentliche Ärgernis aber sind die richterlich attestierten Versäumnisse der Bahn und der Aufsichtsbehörden in diesem Zusammenhang. Das Eisenbahn-Bundesamt und das Regierungspräsidium Stuttgart sind angesichts einer so delikaten Angelegenheit gut beraten, Prüfungen möglichst akribisch durchzuführen und unanfechtbar zu machen. Und die Bahn sollte sich nicht beklagen, wenn es beim Umwelt- und beim Artenschutz gilt, Recht und Gesetz einzuhalten. Vielmehr ist es eine Bringschuld des Schienenkonzerns, eben auch darauf ein besonderes Augenmerk zu haben - allein schon, um sich nicht immer wieder berechtigter Kritik auszusetzen.

Zu warnen ist allerdings davor, Stuttgart21 nurmehr unter formal-juristischen Gesichtspunkten zu verhandeln. Gefordert ist unabhängig davon verstärkt wieder die Politik, namentlich die Landesregierung, die sich auch nach der Volksabstimmung um jede inhaltliche Positionierung drückt. Wie viele Bäume im Schlossgarten müssen oder sollen tatsächlich fallen? Ist es wirklich sinnvoll, die schweren Exemplare förmlich zu verschieben, um den Preis, dass der Boden des Schlossgartens zerstört wird? Bei diesen Fragen muss Grün-Rot sich positionieren - und darf die Entscheidung am Ende nicht allein der Bahn oder Gerichten überlassen. An dieser Notwendigkeit ändert das gestrige Urteil nichts.