Der Gemeinderat ist nicht zu beneiden, meint StZ-Redakteur Jörg Nauke. OB Kuhn wird die Stadträte auf Trab halten, und die Bürger erwarten, dass sie die Bahn bei Stuttgart 21 kontrollieren.

Stuttgart - So manchen der 22 Neulinge im Gemeinderat dürften am Donnerstag leise Zweifel beschlichen haben, ob es wirklich eine gute Idee gewesen ist, sich dem Wähler anzudienen. Die Stadtpfarrer baten beim ökumenischen Gottesdienst ganz oben um Unterstützung für ein pflegliches Miteinander im Rathaus. Neu-Altstadtrat Kienzle beschrieb den kommunalpolitischen Alltag als eher triste Dauerfahrt im Paternoster; OB Kuhn zählte eine Reihe komplexer Aufgaben und Projekte auf und erwähnte en passant, dass er sich Sorgen um die Finanzkraft mache, weil die Gewerbesteuer nicht mehr sprudele wie früher.

 

Und die erste Sitzung war noch keine Minute alt, da mussten sich die Neuen von der Tribüne bereits als „Lügenpack“ beschimpfen lassen, nur weil sie bis dahin noch keinen Baustopp im Schlossgarten beschlossen hatten. Ein Zuckerschlecken ist dieses Ehrenamt gewiss nicht.

Der Gemeinderat ist so heterogen wie keiner zuvor

Natürlich wird auch dieser Gemeinderat das Bahnhofsthema nicht los, auch wenn es, wie Kuhn meint, bei S 21 nicht mehr ums Grundsätzliche ginge. Aber in die Amtszeit des Gremiums fällt nun einmal die Umsetzung mit Belastungen für die Umwelt, den Straßen- und den öffentlichen Nahverkehr. Die Stadträte werden deshalb am Ende auch danach bewertet werden, wie ernst sie ihre Aufgabe genommen haben, ein Chaos in der City zu verhindern.

OB Kuhn ist – bei eigener Restamtszeit von nur noch sechseinhalb Jahren – auf die Unterstützung dieses Gemeinderats angewiesen, der sich aus elf Listen speist und damit so heterogen und unberechnbar ist wie keiner zuvor. Es gilt, die Feinstaubwerte zu senken, die Staus zu verringern, die Energiewende zu forcieren, die Armutsprostitution zu beenden und die Wohnungsnot zu beseitigen. Das müsste als Motivation für den Anfang doch genügen.