Die EU könnte sich beim Kampf gegen Schmuggel verhoben haben. Ein Kommentar von unserem Brüssel-Korrespondent Markus Grabitz.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Als die EU vor zwei Jahren die nächste Stufe der Regulierung für Tabakprodukte beschloss, stand der plakative Verbraucherschutz im Mittelpunkt: Alles drehte sich um die Schockfotos, die den Rauchern die Lust verderben sollten. Kaum jemand hat da zur Kenntnis genommen, was die EU noch beschlossen hat: Bis 2019 soll EU-weit ein überaus ehrgeiziges System aufgebaut werden, das dem Zigarettenschmuggel den Kampf ansagt. Im Fachjargon „tracking and tracing“ genannt. Es soll sicherstellen, dass künftig der Weg jeder Zigarettenschachtel aus der Fabrik bis zum Großhändler nachvollzogen werden kann. Die EU hat sich Großes vorgenommen: Sie will technologisch Weltstandards setzen. Das Rückverfolgbarkeitssystem soll ausgefeilter sein als etwa das System, das die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorschreibt.

 

Dieser Ehrgeiz könnte sich noch als Bumerang erweisen. Die logistische Aufgabe ist komplex. Erste Machbarkeitsstudien verliefen nicht gerade Erfolg versprechend. Unklar ist, wo die vielen Daten rund um den Tabakkonsum von 150 Millionen Rauchern EU-weit gespeichert werden. Und wer soll sie auswerten? Die Erfahrung lehrt, dass Vorsicht geboten ist, wann immer der Staat technologisch Neuland betritt. Es sei hier etwa an die peinlichen Verzögerungen bei der Einführung einer elektronischen Lohnsteuerkarte oder im Zusammenhang mit der Lastwagenmaut erinnert.

Fantasiemarken werden eigens für den europäischen Schwarzmarkt produziert

Für die Tabakproduktrichtlinie ist der EU-Gesundheitskommissar zuständig. Nun geht es darum, ein System zu entwickeln, bei dem die Tabaksteuer sowie die Mehrwertsteuer berührt sind. Hochkomplexe Vorgänge sind dabei zu beachten, die in den originären Bereich der Finanz- und Steuerverwaltung fallen. Wenn da mal das Gesundheitsressort nicht überfordert ist.

Zumal es Hinweise gibt, dass mit dem Datenwust womöglich gar nicht so viel anzufangen ist. Der Schwarzmarkt für Zigaretten hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Die geschmuggelte Markenzigarette, die man mit dem System aufspüren könnte, wird zum Auslaufmodell. Immer mehr Gewicht haben gefälschte Zigaretten sowie Fantasiemarken wie „Jin Ling“, die eigens für den Schwarzmarkt in Europa produziert werden. Diesen beiden Phänomenen sind aber mit einem Rückverfolgbarkeitssystem nicht beizukommen.