Neue Formen des Gedenkens machen sich breit: der QR-Code am Grabstein. Warum eigentlich nicht, fragt Jan Sellner

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stuttgart - Zeitung – auch in elektronischer Form – bildet Wirklichkeit ab. Die eine Seite handelt vom prallen Leben in der Stadt, die andere mit dem Thema Trauer anlässlich des morgigen Totensonntags . Zwei Seiten einer Medaille, zwei Zeitungsseiten der Wirklichkeit.

 

Der Totensonntag wird auch Ewigkeitssonntag genannt. Er ist der letzte Sonntag vor dem ersten Advent und damit auch der letzte Sonntag des Kirchenjahres – das evangelische Pendant zum katholischen Allerseelen am 2. November. An diesen Tagen wird der Verstorbenen gedacht. Das Stuttgarter Hospiz lädt für Sonntag zu einer Gedenkfeier in die Gedächtniskirche; in der Leonhardskirche wird ein Konzert gegeben. Es geht um Leben und Tod. Die ewigen Fragen.

Neue Formen des Gedenkens kommen hinzu

Der frühere Papst Benedikt XVI. hat einen schönen Satz formuliert, der zu den Gedenktagen passt: „Unsere Friedhöfe mit ihren Zeichen der Anhänglichkeit und Treue sind eigentlich solche Versuche der Liebe, den anderen irgendwie festzuhalten, ihm noch ein Stück Leben zu geben. Und ein wenig lebt er ja auch wirklich noch in uns fort. Nicht er selbst, aber etwas von ihm.“ Den anderen irgendwie festhalten wollen – das geschieht auf vielfältige Weise. Mit Kerzen, Worten, Gedanken, Worten, Blumen, kleinen Gegenständen, an die sich Erinnerungen knüpfen. Oft sind es auch Lieder, die über Raum und Zeit hinweg Brücken bilden. Diesen Tag erst gehört: „Day Of The Dead“ des großartigen kanadischen Sängers John Southworth – Ausdruck der Hoffnung, eines Tages Mutter und Vater und die verlorenen Freunde wiederzusehen.

Neue Formen des Gedenkens kommen hinzu – Kondolenzbücher im Internet etwa. Oder Kerzen, die im Netz buchstäblich angeklickt werden können. In Stuttgart gibt es jetzt auch die Möglichkeit, Grabsteine zu verlinken. Auf Wunsch können Angehörige einen sogenannten QR-Code darauf anbringen lassen. In Kombination mit dem Handy führen die quadratischen Zeichen auf Internetseiten, die mehr über die Verstorbenen erzählen und zeigen. Der Tod wird mit Leben hinterlegt. Es ist wie ein Album, eine Biografie, die dem Grab beiliegen. Zugänglich für jedermann oder vielmehr:für jeden Smartphone-Besitzer.

„Das entspricht unserer heutigen Zeit“

Die Idee stammt aus dem Rheinland und breitet sich – unterstützt vom Städtetag – gerade in ganz Deutschland aus. In Stuttgart hat man dafür erst neulich die Friedhofssatzung geändert. Das Friedhofsamt steht dieser Form des Gedenkens ausdrücklich positiv gegenüber: „Das entspricht unserer heutigen Zeit.“ Außerdem hat man bereits gute Erfahrungen mit einer Friedhofs-App gemacht, die beispielsweise Auskunft über Prominentengräber auf dem Waldfriedhof gibt.

Den Toten über einen Schnelle-Antwort-Code am Grabstein näherkommen? Gedenken 2.0? Warum nicht? Die Erinnerung an Verstorbene vollzieht sich in Worten und Bildern. Den einen genügen die Bilder im Kopf. Anderen hilft es, wenn sich die Bilder im Netz bewegen. Wichtig ist doch, dass es das Leben leichter macht.

jan.sellner@stzn.de