Peer Steinbrück schlägt sich wacker, aber er kann Angela Merkel im TV-Duell nicht abhängen, meint der StZ-Politikchef Rainer Pörtner in seinem Kommentar.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Die Geschichte des TV-Duells begann vor 53 Jahren. Am 26. September 1960 trafen zwei US-Präsidentschaftskandidaten vor den Fernsehkameras zum direkten, millionenfach beobachteten Schlagabtausch aufeinander. Der junge Senator John F. Kennedy forderte Vizepräsident Richard Nixon heraus. Es war ein Meilenstein in der Fernsehgeschichte und eine Revolution in der politischen Kommunikation, denn zum Austausch der Argumente – wie sie auch das Radio transportiert hatte – trat nun die visuelle Dimension.

 

Dem jungenhaften, entspannt auftretenden Kennedy stand, für alle Fernsehzuschauer bestens sichtbar, ein schlecht rasierter, schwitzender und körperlich angeschlagen wirkender Nixon gegenüber. Vor den TV Kameras verblassten die politischen Inhalte. Der optische Eindruck dominierte – und ließ den Vizepräsidenten im Vergleich zu seinem Herausforderer in jedem Sinne alt aussehen.

Für Peer Steinbrück war das TV-Duell am Sonntagabend die einzige Gelegenheit, Kanzlerin Angela Merkel im laufenden Bundestagswahlkampf im direkten Gegenüber zu stellen. Bis dahin hatte sich Merkel jeder unmittelbaren Konfrontation entzogen. Wie vor 53 Jahren entfaltete auch dieses TV-Duell seine Wirkung über den sachlichen Schlagabtausch hinaus. In den politischen Positionen gab es wenig Neues zu erfahren, sie waren überwiegend wohlbekannt. Umso wichtiger war die Frage, ob Steinbrück eine bestechende Mischung aus staatsmännischer Souveränität und prickelnder Aggressivität darbieten kann, mit der er die Kanzlerin aus der Ruhe bringt. Nur so kann er in die Vorhand kommen.

Steinbrück ist rhetorisch überlegen

Um es kurz zu machen: Steinbrück ist im TV-Duell rhetorisch überlegen. Er formuliert frecher, zupackender als Merkel. Er greift sie forsch an, ohne zu überziehen oder populistischen Versuchungen zu erliegen. Er bietet bei Themen wie Betreuungsgeld, Pflege oder NSA-Affäre klare Alternativen zur CDU-Vorsitzenden. Mehrfach wirkt Merkel defensiv, leicht verunsichert.

Aber ihren Panzer aus freundlich-unverbindlichen Sätzen kann Steinbrück zwar manchmal ankratzen, aber nicht wirklich knacken. Merkels stärkstes Argument ist für ihn nicht breitenwirksam zu widerlegen: acht Jahre mit Merkel in der Berliner Regierungszentrale waren für die meisten Deutschen keine schlechten Jahre. Dieses erfahrungsgesättigte Weiter-So ist Merkels wichtigste Botschaft – und sie überlebt dieses TV-Duell.

Auch das Thema Syrien bringt in diese Grundaufstellung keine neue Dynamik. In den letzten Tagen hat Steinbrück einen Kursschwenk vorgenommen. Während Merkel in distanzierter Solidarität mit den USA verharrte, bewegte sich der SPD-Kanzlerkandidat nach dem britischen Nein klar auf die Seite der Gegner eines Militärschlags. Im Jahr 2005 hatte Gerhard Schröder als Kanzler mit einem deutlich vernehmbaren Nein zu einer deutschen Beteiligung am Irakkrieg seinem Wahlkampf gegen Edmund Stoiber eine entscheidende, positive Wende gegeben.

Nun erlebt Steinbrück, dass ein Nein eines Kanzlerherausforderers weit weniger Wirkung entfaltet. Während der SPD-Mann mehr Diplomatie und weniger Bomben fordert, telefoniert Merkel mit Obama, Hollande und Putin. Eine deutsche Beteiligung schließt sie genauso aus wie der SPD-Mann. Tage, in denen es um Krieg und Frieden geht, sind gewöhnlich Tage der Regierung. So ist es auch diesmal.

Für Angela Merkel war es bereits das dritte Fernsehduell vor einer Bundestagswahl. Es ist ein Wahlkampf-Format, das ihr erkennbar keinen Spaß macht. Aber sie ist kein abgeschlaffter Nixon und Peer Steinbrück kein bezirzender Kennedy. Der SPD-Herausforderer musste deutlich gewinnen, der Kanzlerin reichte das Unentschieden.