Die bleierne Zeit beim VfB Stuttgart ist nun vorbei, meint StZ-Autor Carlos Ubina zum Rücktritt von Dieter Hundt. Denn: der ungeliebte Aufsichtsratschef des Vereins ist weg – und damit auch das Alibi.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Unter normalen Umständen verbieten sich ja Spielereien mit Namen. Doch in diesem Fall sei die begründete Ausnahme gestattet: Dieser Dieter Hundt ist als Aufsichtsratsvorsitzender ein harter Knochen gewesen. Für die zahlreichen Fans des VfB Stuttgart, die sich an ihm abgearbeitet haben. Für die vielen Vereinsmitglieder, die durch die rigide Sparpolitik der langjährigen grauen Eminenz die Entwicklung des Fußball-Bundesligisten blockiert sahen. Und nicht zuletzt für die sportliche Leitung, die sich in ihrem ständigen Vorhaben, die Mannschaft zu verstärken, immer wieder ausgebremst fühlte.

 

Doch das ist jetzt vorbei. Hundt hat mit dem von nahezu allen im VfB-Lager ersehnten Rücktritt die Bahn frei gemacht. Aber mit dem Abgang des machtbewussten Spitzenfunktionärs ist auch das Alibi weg. Nun lässt sich an keiner Person mehr festmachen, dass der VfB zuletzt – mit Ausnahme des diesjährigen Pokalfinales – nur noch für Durchschnitt stand, für eine vermeintliche Traditionsmarke, deren Profil nicht mehr wirklich erkennbar war.

Wenn jetzt also der Moment der großen Erleichterung über Hundts Schritt vorüber ist, dann werden die Clubstrategen gut beraten sein, sich nicht weiter in Machtkämpfen zu verstricken. Die Führungsetage muss möglichst schnell und klar neu besetzt werden. Es sollte aber ebenso ein neuer Geist unters rote Dach in der Mercedesstraße einziehen. Denn was der VfB benötigt, sind nicht nur andere Köpfe an der Spitze. Vielmehr braucht es sowohl sportliche wie strukturelle Ideen, um den Club möglichst dicht hinter den beiden Branchenführern FC Bayern München und Borussia Dortmund zu positionieren. Das, jedenfalls, ist der eigene Anspruch.

Kader mit einem frischen Gesicht

Fredi Bobic hat in seinem Bereich damit begonnen, eine klare Linie zu verfolgen. Der zum Sportvorstand aufgestiegene Manager arbeitet daran, dem Kader ein frisches Gesicht zu verpassen. Sieben Zugänge hat er bereits verpflichtet. Das Besondere dabei ist jedoch, dass er die Personalien schon jetzt umgesetzt hat – und nicht, wie in den vergangenen Jahren beim VfB üblich, warten musste, welche Spieler Ende August auf der Resterampe des Transfermarkts übrig bleiben. Das verdeutlicht die gestärkte Position des Managers im Verein. Zudem ist Bobic fest entschlossen, für Kontinuität und einen sportlichen Aufwärtstrend zu sorgen – daran muss sich auch der Trainer Bruno Labbadia messen lassen.

Doch das wird auf Dauer nicht reichen. Vor allem nicht, wenn im Ligaalltag nur wieder auf Ergebnisse anstatt auf Entwicklungen geschaut wird. Auch dass sich der VfB im Nachwuchsbereich gut und mit frischen Kräften aufgestellt hat, wird nur dann helfen und als Gesamtkonzept erkannt, wenn oben und unten wieder zusammengeführt werden; also wenn Talente nicht nur im Profiteam sporadisch eine Chance erhalten, sondern sich in ihrer Spielidee eine Art Stuttgarter Schule zeigt.

Die bleierne Zeit ist nun Vergangenheit

Diesen Prozess zu initiieren, zu begleiten und zu fördern wird zu den Aufgaben des neuen VfB-Präsidenten gehören. Emotional, weil sich viele im Umfeld Aufbruchstimmung wünschen. Aber ebenso mit inhaltlichen Vorgaben. Schließlich lautete der Hauptvorwurf an Hundt ja, dass er die wirtschaftlichen Aspekte über die sportlichen stellte – und so dem Fortkommen im Weg stand. Dabei ist nichts dagegen einzuwenden, wenn kaufmännische Vernunft und Weitsicht herrschen. Im Falle des VfB ergab sich jedoch keine Perspektive mehr.

Vieles wurde nur noch in einer frustrierten oder zuletzt aufgeheizten Atmosphäre besprochen und bewertet – und nicht auf sachlich-konstruktiver Ebene diskutiert. Nun aber gehört die als bleierne Zeit empfundene Phase beim VfB der Vergangenheit an. Es bricht die Zeit für die Zukunft an.