In Deutschland können 7,5 Millionen Menschen nicht richtig lesen und schreiben. Das Land will gemeinsam mit Betrieben dagegen vorgehen. Das ist höchste Zeit, meint die StZ-Kommentatorin Julia Bosch.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Stuttgart - Die Zahl ist erschreckend. Beinahe jeder zehnte Mensch in Deutschland kann keine Mails oder Bücher lesen, sich nur mit fremder Hilfe in einer unbekannten Stadt zurechtfinden oder ein einfaches Behördenschreiben ausfüllen: Was für die meisten Menschen eine Kleinigkeit ist, dazu fehlt bundesweit 7,5 Millionen Erwachsenen das nötige Lese- und Schreibvermögen. Nach einem missglückten Schulabschluss haben sie keine Lust mehr auf Lernen, verlieren ihre wenigen Kenntnisse und werden zu Analphabeten – Geld verdienen müssen sie aber trotzdem.

 

Es ist höchste Zeit, dass sich das Land dazu entscheidet, berufstätige Analphabeten mehr in den Fokus zu rücken. Schließlich sind die Ergebnisse der Hamburger Studie zu Analphabetismus seit gut vier Jahren bekannt. Nun muss man auf Vorgesetzte, Abteilungsleiter und Kollegen mit offenen Augen hoffen, die gleichzeitig über ein solches Fingerspitzengefühl verfügen, um mit den richtigen Worten an einen entsprechenden Mitarbeiter heranzutreten. Für Herabsetzung oder blöde Witze ist bei Analphabetismus kein Platz, eine sensible Ansprache ist nötig. Dazu müssen sich Firmenchefs aber erst einmal eingestehen, dass sie einen Analphabeten bei sich beschäftigen. Dieses Eingeständnis lohnt sich. Denn am Ende profitieren beide: der Arbeitnehmer und der Betrieb.