Die wichtigsten Ressourcen in Deutschland sind das Wissen und das Können der Menschen. Deshalb ist die Reform des Bafög, der Förderung der Studenten, richtig, meint der Berliner Büroleiter der StZ, Armin Käfer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - In der Bildungsrepublik Deutschland herrschen ausgesprochen ungerechte Zustände. Die Karrieren der Kinder werden maßgeblich von der Herkunft der Eltern beeinflusst – stärker als in vielen vergleichbaren Staaten. Sprösslinge von Akademikern sind an Gymnasien und erst recht an den Hochschulen deutlich überrepräsentiert. Wer aus bildungsfernen Milieus stammt, hat es ungleich schwerer. Das geradezu skandalöse Missverhältnis hat sich über die Jahre noch verschärft.

 

Ein Land wie unseres kann sich diese Art von elitärer Inzucht nicht leisten. Deutschland verfügt über keine nennenswerten Bodenschätze. Die wichtigsten Ressourcen sind das Wissen, die Fähigkeiten und der Erfindungsreichtum der Menschen, die hier arbeiten. Jeder, der schlau genug ist, muss auch studieren können – egal, ob der Vater Mülleimer leert oder an der Uni lehrt. Gemessen an diesem Grundsatz der Bildungsgerechtigkeit war die Erfindung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes – Bafög abgekürzt – eine geradezu nobelpreiswürdige Leistung. Das Bafög hat inzwischen mehr als vier Millionen Menschen zum Studium verholfen, denen eine akademische Karriere nicht in die Wiege gelegt war. Das ist ein Paradebeispiel für den Aufstieg durch Bildung, der in Sonntagsreden so gerne gepredigt wird.

Das Stipendienwesen kümmert vor sich hin

Es gibt auch keine Alternativen zum Bafög. Das Stipendienwesen, von der liberalkonservativen Bundesregierung während der letzten Wahlperiode als leistungsorientiertes Gegenmodell gepriesen, kümmert vor sich hin. Nur 0,6 Prozent der Studenten erhalten ein so genanntes Deutschlandstipendium. Damit lässt sich kein Staat machen. Schon gar keine Bildungsrepublik.

Zudem herrscht auch bei den Stipendien eine soziale Unwucht. Der Akademikernachwuchs profitiert überproportional. Die gleiche Regierung, die nicht im Stande war, realitätstaugliche Alternativen zum Bafög zu entwickeln, hat doppelt versagt. Jahrelang verweigerte sie Studenten, deren Eltern die Hochschulausbildung nicht nebenher mitfinanzieren können, eine angemessene Anpassung der Fördersätze.

Die Reform kommt zu spät

Die jetzt ausverhandelte Reform des Bafög war überfällig. Hier gibt die große Koalition Geld für einen vernünftigen Zweck aus: Sie investiert in die Köpfe junger Menschen – und damit in die Zukunft des Landes. Viele Details der Novelle verraten Sinn für die Probleme finanzschwacher Studenten. Angesichts inflationärer Mietpreise gerade in Universitätsstädten war es dringend geboten, den Wohnzuschlag entsprechend anzuheben. Vor dem Hintergrund stagnierender Geburtenzahlen ist es angezeigt, junge Leute, die während des Studiums Nachwuchs bekommen, stärker zu unterstützen. Da die Bafög-Überweisungen oft nicht ausreichen, um den Lebensunterhalt als Student bestreiten zu können, erscheint es auch sinnvoll, bei Nebenjobs großzügig zu verfahren. Es ist im Übrigen zu begrüßen, dass künftig ausschließlich der Bund für das Bafög zuständig sein wird. Die notorisch klammen Länder haben die notwendige Reform des Gesetzes über Jahre verzögert.

Ungeachtet aller positiven Aspekte gibt es Anlass zur Kritik: Die Reform kommt zu spät. Bis Ende 2016 müssen ihre Nutznießer warten. Zudem hat es die Koalition versäumt, eine eklatante Schwäche der Bafög-Regularien zu korrigieren. Die Studenten bleiben weiterhin auf die Willkür der Politik angewiesen, wenn es darum geht, die Fördersätze entsprechend der steigenden Lebenshaltungskosten heraufzusetzen. Es sei sehr kompliziert, ein geeignetes Verfahren festzulegen, sagt Bildungsministerin Wanka. Wenn es um die eigenen Pfründe geht, ist dies offenbar weniger kompliziert. Die Diäten der Bundestagsabgeordneten werden künftig automatisch steigen. Sie sind an einen Index gekoppelt, der sich an der Lohnentwicklung orientiert. Warum geht das nicht auch beim Bafög?