Das Europaparlament hat seinen Segen zur Bankenunion gegeben. Der Bankensektor soll damit besser kontrolliert werden, doch der Schutz für die Steuerzahler bleibt löchrig, kommentiert der StZ-Redakteur Christopher Ziedler.

Brüssel - Die Welt hat gerade andere Sorgen als den Euro. Die nahe Zukunft der Weltwirtschaft hängt stärker vom Fortgang der Dinge in der Ukraine ab als von weiteren Entwicklungen in der mächtig abgeflauten Eurokrise. Da produziert selbst der größte Integrationsschritt seit Einführung der Einheitswährung nicht mehr die ganz großen Schlagzeilen. An der mangelnden Dringlichkeit liegt das nicht.

 

Nicht umsonst ist die Bankenunion, die das Europaparlament jetzt endgültig gebilligt hat, in Rekordzeit aus dem Boden gestampft worden. Es ist noch nicht einmal zwei Jahre her, dass Kommissionspräsident José Manuel Barroso in einer Rede vor dem Straßburger Parlament den Begriff der Bankenunion einführte. Schon zwei Wochen später fassten die Staats- und Regierungschefs den Grundsatzbeschluss, zahllose Sondersitzungen der Finanzminister sowie der Europaabgeordneten besorgten den Rest. Die Eile war der Erkenntnis geschuldet, dass die Eurokrise nicht nur auf schlechte Haushaltsführung, sondern auch auf eine unzureichende Kontrolle des Bankensektors zurückzuführen war.

Von der Ursprungsidee ist kaum etwas geblieben

Erst die Rettung ihrer maroden Institute machte Irland, Spanien und Zypern zu Pflegefällen – diesen Teufelskreis wollten Merkel und Co. durchbrechen. Das leistet die Bankenunion in der nun beschlossenen Form nur zum Teil – was an Finanzminister Wolfgang Schäuble liegt, der im Gesetzgebungsprozess die Zugeständnisse der Kanzlerin Stück für Stück wieder einfing.

Von der Ursprungsidee, dass der Rettungsschirm ESM einzelnen Staaten die Bankenrettungskosten abnehmen soll, damit sie nicht ihrerseits in die Pleite schlittern, ist kaum etwas geblieben. Für diese direkte Bankenrekapitalisierung steht nur in Ausnahmefällen Geld bereit. Das wäre kein großes Problem, wenn es wirklich gelungen wäre, eine Staatshaftung ein für alle Mal auszuschließen. Diese wird zwar unwahrscheinlicher, weil Eigentümer und Gläubiger von Pleitebanken künftig zuerst bluten müssen. Es ist auch ein Fortschritt, dass die gesamte Finanzindustrie einspringen muss, falls dann noch nicht genug Geld beisammen ist, um den Bankrott abzufedern. Banken zahlen für Banken, indem sie über die Zeit einen EU-Abwicklungsfonds füllen. Darin werden sich acht Jahre nach der ersten Einzahlung 2016 insgesamt 55 Milliarden befinden – schon vorher sollen sie über Kredite bereitstehen.

Das Restrisiko für den Steuerzahler bleibt

Das ist fraglos viel Geld, aber gemessen daran, dass allein die Pleite der Hypo Real Estate das Doppelte kostete, möglicherweise zu wenig. Das Restrisiko, dass am Ende doch wieder der Steuerzahler einspringen muss, ist also kleiner geworden – aber es besteht weiter. Der Panzer, der ihn schützen soll, ist porös. Für die Glaubwürdigkeit der Bankenunion ist daher entscheidend, dass die vorrangig betroffenen 130 Großbanken keinen alten Ballast an Bord haben, wenn die Europäische Zentralbank im Herbst als neue Aufsichtsbehörde das Ruder übernimmt. Dazu braucht es einen strengen Stresstest, der auch Staatsanleihen als Risikoanlage betrachtet und Kapitallücken wirklich benennt. Leider besteht die Gefahr, dass in der so schön beruhigten Gesamtlage keine schlechten Nachrichten aus dem Euroraum produziert werden sollen. Zumal für dann benötigte Geldspritzen erneut die nationalen Haushalte aufkommen müssten.

Das größte Fragezeichen freilich ist kein wirtschaftliches, sondern ein politisches. Der geltende EU-Vertrag wurde maximal gedehnt, ja vielleicht sogar überdehnt, um diese Bankenunion zu bauen. Was passiert, wenn in einigen Jahren auf wackliger Rechtsgrundlage in Brüssel über Nacht beschlossen würde, eine deutsche Bank zu schließen? Würden die Gerichte das akzeptieren? Und die Bürger? Um die Eurozone dauerhaft zu stabilisieren, müsste im Zuge einer Vertragsreform die Bankenunion selbst auf solidere Beine gestellt werden.