Die grün-rote Landesregierung ist bestrebt, nach Jahren der Reformen wieder Ruhe an die Schulen zu bringen. Brisant ist jedoch die Rolle der Realschulen, meint StZ-Redakteurin Renate Allgöwer.

Stuttgart - Es ist unübersehbar, Grün-Rot strebt nach Ruhe an den Schulen. Die Landesregierung ist entschlossen, nach drei Jahren heftiger und teilweise überhasteter Reformtätigkeit die Situation für Lehrern, Eltern und Schüler zu entspannen. Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) und Kultusminister Stoch (Stoch) haben den Anfang schon im Sommer gemacht und das Gespräch mit Lehrern gesucht. Die Sympathietour soll fortgesetzt werden.

 

Begegnungen allein werden aber nicht ausreichen. Im neuen Schuljahr, das am Montag beginnt, hat auch die Regierung einige Aufgaben zu erledigen. Zum Schuljahresauftakt hat Stoch ein positives Bild von der Unterrichtsversorgung gezeichnet, das ist ein zentraler Punkt, der viel zur Beruhigung beiträgt. Doch viele andere Fragen bleiben unbeantwortet. So stecken etwa die Ganztagsschulen noch in den Anfängen, die Inklusion behinderter Schüler ist nicht im Detail geklärt.

Die Regierung muss sich von starren Grundsätzen lösen

Die größte Brisanz birgt gegenwärtig die bisher so unauffällige Realschule. Im dritten Schuljahr nach dem Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung hat ein erheblicher Anteil der Schüler nicht das für die Schulart erforderliche Niveau. Doch es gibt noch immer keinen überzeugenden Vorschlag, wie Schüler an der Realschule, die die mittlere Reife erkennbar nicht schaffen werden, dort zu einem vernünftigen Hauptschulabschluss kommen sollen.

Das Thema kann zu einem Knackpunkt grün-roter Bildungspolitik werden. Die Regierung wird sich von ihren starren Grundsätzen lösen müssen, will sie zu einer vernünftigen Lösung kommen. Die schwachen Schüler wegzuschicken ist keine Option. Wohin auch? Viele Hauptschulen machen dicht. Es ist unbestritten, dass mehr individuelle Förderung nötig ist. Das gilt für alle Schularten. Aber besonders für die Realschule. Dort müssen künftig die schwächeren Schüler bestmöglich auf den Hauptschulabschluss vorbereitet werden.

In der Frage, wie das erreicht werden soll, ist sich die Koalition nicht einig. Getrennte Züge, die zum Beispiel ab der siebten Klasse zum Hauptschulabschluss oder zur mittleren Reife führen, kommen für die Grünen gar nicht infrage. Die Ökopartei sieht schon einzelne Kurse, die nach Leistung trennen, kritisch. Mit denen wiederum hat die SPD weniger Probleme und ist damit nicht weit weg von der CDU. Die Frage berührt die Grundfesten bildungspolitischer Überzeugungen: Soll integrativ oder differenziert unterrichtet werden? Das Problem ist nur, dass die meisten Realschulen Differenzierung wollen, gerade deshalb setzen sie sich von den integrativen Gemeinschaftsschulen ab.

Ein Zwischenbericht könnte hilfreich sein

Der Streit über integrative und differenzierte Schulformen ist aber in weiten Teilen eine Debatte für die Galerie. Noch ist nicht erwiesen, ob der integrative Unterricht in Reinkultur, wie er an den Gemeinschaftsschulen vorgegeben ist, starken und schwachen Schülern gleichermaßen nutzt. Der Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitforschung zu den ersten Gemeinschaftsschulen wird aber noch bis 2016 auf sich warten lassen. Zweifel sind angebracht, ein Zwischenbericht könnte in der aktuellen Debatte hilfreich sein.

Das Beste aus beiden Konzepten, ein bisschen mehr integrativer Unterricht an Realschulen, ein bisschen Lockerung des strengen Verbots der Trennung nach Leistung bei Gemeinschaftsschulen, dürfte wohl allen Schülern nützen und zu einer alltagstauglichen Lösung führen. Es gibt erste Anzeichen, dass auch die Opposition in diese Richtung diskutieren wird. Dann wäre das Thema zwar kaum mehr wahlkampftauglich, an den Schulen könnte aber tatsächlich die verdiente Ruhe einkehren. Und ob das Türschild Gemeinschaftsschule oder Realschule zu Theorien von Zwei-Säulen-Modellen oder gegliedertem Schulsystem passt, ist für Eltern und Schüler ohnehin zweitrangig.