Die Synode im Vatikan kam für beide Seiten zu einem günstigen Zeitpunkt: für den Papst, um den Puls seiner Amtskirche zu fühlen, für die Bischöfe, um dem „Neuen“ mal die Meinung zu sagen. Ein Kommentar von Paul Kreiner.

Rom - Die Massen umjubeln Papst Franziskus, die Hierarchen der katholischen Kirche haben ihn – nach seiner fulminanten Wahlrede beim Konklave – mit widerstreitenden Gefühlen nun eineinhalb Jahre bei der praktischen Arbeit erlebt. Die Synode kam jetzt für beide Seiten zu einem günstigen Zeitpunkt: für den Papst, um den Puls seiner Amtskirche zu fühlen, für die Bischöfe, um dem (allzu) Neuen mal die Meinung zu sagen.

 

Und es zeigt sich, wie klug Franziskus gehandelt hat, als er der Bischofsversammlung zum christlichen Kernthema „Familie“ einen zweistufigen Diskussionsprozess verordnete. Hätte er es nach dem Brauch seiner Vorgänger bei nur einer Sitzung belassen, dann hätte er – wie gesehen – zum x-ten Mal nur die alten Positionen zu hören bekommen. Wenn es Bewegung, Entwicklung geben soll, dann beginnt sie erst jetzt in Vorbereitung auf die zweite, definitive Sitzung in zwölf Monaten.

Chancen gibt es. Die Bischöfe, die dieser Papst zum Abschluss der ersten Tagung noch einmal zu freier Rede und zu Kollegialität in der Kirchenleitung eingeladen hat, können untereinander jetzt so offen diskutieren, wie es seit den Aufbruchstagen des Zweiten Vatikanischen Konzils vor 50 Jahren nicht mehr der Fall war. Wer eine theologische Position durchsetzen will, wird und muss jetzt seine internationalen Netze knüpfen. Er muss seine Fragestellungen mit den anderen abgleichen, werbend seine Argumente schärfen, selbstkritisch seine Wahrnehmungen eichen, dabei kulturelle Unterschiede zwischen den Kontinenten ebenso respektierend wie die – auf der Welt singuläre – Einheit dieser Kirche im Blick behaltend. So wird nicht der Doktrin von oben das Wort geredet, sondern gemeinsame Willensbildung betrieben.

Erklärungen in der Beratungsphase

Ferner müssen die Bischöfe jetzt, zurück in ihren Gemeinden, die Ergebnisse der ersten Beratungsphase erklären. Und wenn schon die Gläubigen vor einem Jahr aufgefordert waren, ihre Meinung zur überkommenen Lehre zu äußern, dann werden sich die Bischöfe nach der ersten Runde umso mehr Fragen gefallen lassen müssen, vor allem die eine: „Was ist aus unseren Voten geworden?“ Falls viele Katholiken mitmachen, dann könnte das auf eine Kirche zulaufen, wie Franziskus sie will: auf eine Kirche in Bewegung endlich, von vielen Schultern getragen.

Das wären die Chancen.   Ein paar lägen sogar im Schlussdokument der ersten Versammlung, so statisch es auch daherkommt: Da wird nichts mehr einfach so als Sünde verdammt; da ist auch der Begriff des Naturrechts verschwunden, welcher der Kirche bisher als unfehlbare Quelle traditioneller Moral gedient hat, den aber keiner mehr versteht.

Bisher nicht vorgesehene Gedanken

Das heißt: der Ton ist ein anderer, Argumente müssen neu formuliert werden – da könnten Gedanken einfließen, die im bisherigen System nicht vorgesehen sind. Könnten. Wer aber – wie einige Kommentatoren – darauf hinweist, alle Paragrafen des Synodenpapiers hätten wenigstens die absolute Mehrheit gefunden, auch wenn die „offensten“ an der Klippe der Zweidrittelmehrheit gescheitert sind, gibt sich womöglich trügerischen Hoffnungen hin.

Gravierende Entwicklungen der Lehre und Änderungen in deren Anwendung beschließt man, bei Gefahr einer Spaltung, in keiner Kirche mit Mehrheiten von 51 zu 49 Prozent. Dafür bedarf es der Einmütigkeit. Sie mag darin bestehen, dass man beim Blick auf Ehen ohne Trauschein oder auf Homosexuelle den Kulturen der Welt unterschiedliche Geschwindigkeiten zubilligt. Wenn aber – wie bei einer Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu Beichte und Kommunion – das Heiligste tangiert wird, die Sakramente, dann wird die katholische Kirche weltweit einheitliche Lösungen finden müssen. Das ist das Allerschwerste. Aber immerhin: jetzt arbeiten sie daran.