Die Bundesbank überweist weniger Geld an den Finanzminister, weil sie ihre Rücklagen drastisch erhöht. Damit zeigt sie: die Finanzkrise ist noch lange nicht gebannt, meint die StZ-Redakteurin Barbara Schäder.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Die Krise ebbt ab – und die Bundesbank verdoppelt ihre Risikovorsorge. Stolze 14,4 Milliarden Euro hat die Notenbank mittlerweile auf der hohen Kante, sieben Mal so viel wie noch Ende 2009. Damals begann mit der Offenbarung des gigantischen griechischen Haushaltslochs die Eurokrise. Mit dem Schuldendrama begründet die Bundesbank auch die neuerliche Erhöhung ihrer Rücklagen. Denn trotz der jüngsten Entspannung an den Märkten sei die Krise nicht gebannt, warnt Bundesbankchef Jens Weidmann. Er verweist auf die Gefahr von Rückschlägen bei den Reformen in Italien und die mangelnde Haushaltsdisziplin Frankreichs.

 

Mit der Aufstockung der hauseigenen Risikovorsorge gewinnen Weidmanns wiederholte Warnungen an Gewicht. Denn die in Zahlen ausgedrückte Vorsicht der Bundesbank bekommt die Politik schmerzlich zu spüren: Da die Notenbank Milliarden zurücklegt, fällt ihr Gewinn und damit die jüngste Überweisung an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble deutlich geringer aus als von diesem erwartet. 1,5 Milliarden Euro waren im Bundeshaushalt eingeplant, tatsächlich bekommt Berlin aus Frankfurt nun 664 Millionen Euro. Das reicht gerade, um eine seit Langem angekündigte Überweisung an Griechenland zu bezahlen.

Das politische Signal kommt gelegen

Nach Darstellung Weidmanns ergibt sich die hohe Risikovorsorge aus den statistischen Ausfallwahrscheinlichkeiten unter anderem der Staatsanleihen hoch verschuldeter Euroländer, die sein Haus auf Geheiß der Europäischen Zentralbank (EZB) erwerben musste. Tatsächlich sind die von der Bundesbank gebildeten Rücklagen verglichen mit der Risikovorsorge der EZB selbst nicht übertrieben: Die Rückstellungen der deutschen Notenbank belaufen sich auf 1,4 Prozent der Bilanzsumme, bei der EZB liegt der Anteil mehr als doppelt so hoch.

Durchaus möglich also, dass die Aufstockung der Reserven rein rechnerisch unvermeidlich war. Doch das damit verbundene politische Signal kommt der Bundesbank zweifellos gelegen. Schließlich sind die Anleihekäufe den Frankfurtern schon lange ein Dorn im Auge. Zwar wurde das erste Kaufprogramm im vergangenen Herbst eingestellt, EZB-Präsident Mario Draghi stellte jedoch sofort ein neues in Aussicht: Im Notfall werde das Eurosystem „unbegrenzt“ Staatsanleihen kaufen – sofern die Nutznießer Sparauflagen der Europartner akzeptierten.

Der Erfolg gibt Draghi recht – vorerst

Mit „Eurosystem“ sind die EZB und die angeschlossenen Notenbanken gemeint, also auch die Bundesbank – deren Chef Weidmann das neue Kaufprogramm strikt ablehnt. Sein zentrales Argument: die Notenbanken würden mit dem Erwerb etwa italienischer oder spanischer Staatsanleihen diesen Ländern Risiken abnehmen, für die letztlich die Steuerzahler in der gesamten Währungsunion geradestehen müssten. Denn sollten Rom oder Madrid die Schuldtitel eines Tages nicht zurückzahlen können, müssten Notenbanken europaweit die Papiere abschreiben. Und das alles auf der Grundlage von Beschlüssen, die ein demokratisch nicht legitimiertes Gremium, nämlich der EZB-Rat gefasst hat.

Weidmanns Bedenken sind gerechtfertigt. Andererseits hat Draghis Ankündigung die Wahrscheinlichkeit eines italienischen oder spanischen Zahlungsausfalls erheblich verringert. Der EZB-Chef – und mit ihm die Mehrheit von Weidmanns Kollegen – handelte überdies in einer Situation, in der sich die Euroregierungen trotz gefährlicher Zuspitzung der Krise gegenseitig blockierten. Niemand weiß, was passiert wäre, wenn sich der Bundesbankpräsident damals mit seinem „Nein“ durchgesetzt hätte. Als oberster europäischer Währungshüter konnte Draghi dieses Risiko schwerlich eingehen. Und der Erfolg gibt ihm zumindest vorerst recht. Denn dass die EZB die Krise entschärft hat, bestreitet nicht einmal Weidmann.