Im Ministerium von SPD-Chef Sigmar Gabriel wird künftig auch die Energiepolitik angesiedelt. Diese Bündelung birgt zwar Chancen, meint der StZ-Wirtschaftsredakteur Werner Ludwig. Doch eine große Reform sieht er bisher nicht.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Dass es bei der Umsetzung der Energiewende unter der alten Bundesregierung immer wieder gehakt hat, hing auch mit der Verteilung der Zuständigkeiten zusammen. Das CDU-geführte Umweltministerium und das von der FDP besetzte Wirtschaftsministerium waren in Energiefragen oft nicht einer Meinung. Wichtige Weichenstellungen wurden so verzögert oder blockiert – ganz zu schweigen von einer grundlegenden Reform der Ökostromförderung. Insofern ist es eine gute Nachricht, dass die Verantwortung für die Energiepolitik nun im Wirtschaftsressort des neuen SPD-Superministers Sigmar Gabriel gebündelt wird. Das birgt die Chance, dass weniger Energie für Kompetenzgerangel verbraucht wird.

 

Umweltschützer befürchten, dass dadurch die Ökologie ins Hintertreffen geraten könnte. Schließlich wurde und wird der Einstieg in die Energiewende in erster Linie mit umwelt- und klimapolitischen Zielsetzungen begründet, die nach wie vor richtig sind. Doch woran das Projekt bisher krankt, ist nicht ein Übermaß, sondern ein Mangel an wirtschaftlichem Denken.

Der Koalitionsvertrag klingt nicht nach Reform

Für den Einstieg war es sicher sinnvoll, durch attraktive Einspeisevergütungen ein abgeschottetes Biotop für Ökostromlieferanten zu schaffen. Wenn aber – wie aktuell – bereits ein Viertel der Elektrizität aus erneuerbaren Quellen kommt, kann deren Ausbau nicht mehr in einem weitgehend ökonomiefreien Raum stattfinden.

Die Energiewende wird für Verbraucher und Unternehmen unnötig teuer, wenn weiterhin Wind- und Solarkraftwerke gebaut werden, ohne dass die Betreiber einen Gedanken an die Netzanbindung oder die Vermarktung ihres Stroms verschwenden müssen. Wohin die Reise gehen muss, ist klar: Stromproduzenten und Investoren müssen die Preissignale des Marktes spüren, um sinnvoll agieren zu können – und sich etwa für die preisgünstigste Erzeugungstechnik oder gegen einen ungeeigneten Standort zu entscheiden. Doch was im Koalitionsvertrag zu lesen ist, klingt nicht nach der großen Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), die eigentlich geboten wäre. Hier muss die neue Bundesregierung noch nachlegen.

Brüssel nimmt die Förderpolitik unter die Lupe

Eines der vielen EEG-Reformkonzepte stammt von Gabriels künftigem Staatssekretär Rainer Baake. Der bisherige Chef der Denkfabrik Agora Energiewende schlägt niedrigere und einheitliche Ökostromvergütungen sowie den Zwang zur Direktvermarktung vor. Gabriel muss also nicht bei Null anfangen. Dazu bleibt ihm auch keine Zeit, denn bereits am Mittwoch wird die EU-Kommission in Brüssel die deutsche Ökostromförderung unter die Lupe nehmen und vermutlich ein Verfahren einleiten. Hauptkritikpunkt ist die Befreiung industrieller Großverbraucher von EEG-Umlage und Netzentgelten. Brüssel sieht darin eine wettbewerbswidrige Beihilfe. Der Druck der EU könnte Gabriel dabei helfen, den Wildwuchs bei den EEG-Ausnahmen – auch gegen Widerstände in der eigenen Partei – auf ein vernünftiges Maß zurückzustutzen und so die Lasten für Normalverbraucher und Mittelständler zu senken.

Dass es die Energiewende nicht zum Nulltarif gibt, ist allen klar. Doch die Kosten müssen fair verteilt werden, zumal weitere Milliardeninvestitionen für Netze, Stromspeicher und Reservekraftwerke anstehen. Gabriel sollte auch nicht den Fehler machen, die Energiewende auf das Thema Strom zu beschränken, der nur gut ein Fünftel des Endenergieverbrauchs ausmacht. So lässt sich mit einer besseren Gebäudedämmung mit jedem investierten Euro ein größerer Klimaschutzeffekt erzielen als mit einer Fotovoltaikanlage. Viel zu tun bleibt auch beim Energiesparen. Gabriel selbst wird dazu wenig Gelegenheit haben. Er wird vielmehr jede Menge Energie brauchen, um die unterschiedlichen Interessen in seinem Superministerium unter einen Hut zu bringen.