In der Eurokrise hat es zuletzt viele gute Nachrichten gegeben. Doch ist sie vorbei, wenn die Etatlöcher kleiner werden und sich die Krisenstaaten wieder Geld leihen können? Nein, meint der Brüsseler StZ-Korrespondent Christopher Ziedler.

Brüssel - Die Euroretter reiten auf einer Woge des Erfolgs. Schon vor Monaten ist Europa der Rezession entstiegen, dann ließ Irland als erster Krisenstaat ohne Probleme das Rettungsprogramm hinter sich, um finanziell wie politisch wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Vor wenigen Wochen konnte sogar Griechenland, dem die internationalen Kreditgeber vor vier Jahren den Geldhahn zugedreht hatten, wieder Anleihen am Kapitalmarkt verkaufen. An diesem Mittwoch schließlich ist das auch Portugal gelungen, das noch im Mai den aus Steuerzahlergeld finanzierten Rettungsschirm beiseite legen will. Und zu guter Letzt hat Europas Statistikbehörde Athen jetzt bescheinigt, einen Primärüberschuss im Haushalt erwirtschaftet zu haben. All diese gute Nachrichten müssen doch eigentlich bedeuten, dass die Eurokrise nun endgültig hinter uns liegt.

 

Leider nein. Diese Schlussfolgerung verbietet sich allein beim Blick auf die Arbeitslosenstatistik, die 26 Millionen Erwerbslose in Europa ausweist. Die Gegenstrategien – von der nur halbherzig umgesetzten „Jugendgarantie“ über das Investitionspaket der Europäischen Investitionsbank – greifen noch nicht recht. Der griechische Schuldenberg wächst weiter und erdrückt jede zukünftige Entwicklung. Ein Primärüberschuss, der die Zinslast außen vor lässt, ist in der nun bescheinigten Höhe kaum mehr als ein statistischer Trick. Er ist nur wichtig, weil die Euroländer weitere Schuldenerleichterungen damit verknüpft haben. Die Debatte um die langfristige Rettung Griechenlands beginnt erst.

Viele Reformen liegen auf Eis

Die entspannte Lage an den Märkten wiederum beruht allein auf einer Zwischenlösung. Die von der Europäischen Zentralbank abgegebene Garantie, im Notfall unverkäufliche Staatsanleihen von Krisenstaaten aufzukaufen, funktioniert seit dem Sommer 2012 ganz wunderbar. Zur Dauerlösung aber taugt sie nicht. Eine gemeinsame Schuldenhaftung in Europa, die mit Rückendeckung der deutschen Kanzlerin durch die Hintertür eingeführt wurde, kann nur politisch beschlossen und legitimiert werden. Davon aber ist die Währungsunion wohl weiter entfernt denn je: Eurobonds oder gemeinsamer Schuldentilgungsfonds sind nicht zuletzt von der Bundesregierung zum Tabu erklärt worden.

Andere Reformen liegen auf Eis, da bei sinkenden Finanzierungskosten ohne fest vereinbarter Gegenleistung der Wille dazu in vielen Staaten erlahmt ist. In den großen Volkswirtschaften Italien und Frankreich, die jeden Schirm und wohl auch die Zentralbank überfordern würden, geht es nicht voran. Ökonomisch Starke und Schwache driften in Euroland weiter auseinander. Gerade erst hat EU-Ratschef Herman van Rompuy eingeräumt, dass es mit einer besseren wirtschaftspolitischen Abstimmung über sogenannte Reformverträge, die – mehrfach vertagt – nun im Oktober von den Staats- und Regierungschefs beschlossen werden sollten, wohl wieder nichts wird.

Europa droht den Rückhalt zu verlieren

Die für ihre dauerhafte Stabilisierung nötige „Fortentwicklung“ der Eurozone, die auch der Berliner Koalitionsvertrag andeutet, bleibt im Ungefähren. Zwar ist die Scheu vieler Regierungen verständlich, den skeptischen Bürgern gerade jetzt einen neuen EU-Vertrag vorzulegen. Doch die Alternative dazu – ein klammheimliches Werkeln an der politischen Union, um die Währungsunion zu festigen – ist noch schlechter. So droht Europa endgültig den Rückhalt der Europäer zu verlieren.

Natürlich ist zuletzt einiges gelungen: Die gemeinsame Währung wurde erhalten, die Mitgliedstaaten haben Reformen eingeleitet, solider gewirtschaftet und auf europäischer Ebene eine Bankenunion geschaffen. Das muss nicht verschwiegen werden, wo Optimismus gerade in Wirtschaftsfragen ein wichtiger Faktor ist. Die Antworten auf unbequeme Fragen immer weiter zu verschieben aber ist keine Lösung. Sonst droht ein böses Erwachen.