Es ist ein Ritual, das sich abgenutzt hat. Immer zu Dreikönig macht sich die FDP Mut. Dieses Mal mussten sich die Liberalen von vermeintlich Bewährtem verabschieden. Das fiel nicht jedem leicht, schreibt Andreas Müller.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es ist ein Ritual, das sich mit den Jahren doch etwas abgenutzt hat. Immer zu Dreikönig macht sich die FDP selber Mut und beschwört eine bessere Zukunft für die Partei. So nötig wie 2014, der ersten Kundgebung seit dem Rauswurf der Liberalen aus dem Bundestag, war das noch nie. „Neustart“ ist die - mit einem Computersymbol auch bildlich übersetzte - Devise für den Beginn des langen Weges zurück ins nationale Parlament. In den nächsten vier Jahren, so das Ziel, will die FDP die Wähler von ihrer Unverzichtbarkeit überzeugen.

 

Auch in Baden-Württemberg, wo es die Liberalen 2011 gerade noch einmal in den Landtag schafften, soll dieser „Neustart” gelingen. Einen Tag vor dem Dreikönigstreffen mit der Bundesprominenz an diesem Montag zeigte die Landespartei am Sonntag, wie sie das bewerkstelligen will. Rückenwind erhofft sie sich - unter anderem - von einem neuen, vergleichsweise frischen Landesvorsitzenden, von dem Unmut über die große Koalition in Berlin und von mehr Mitsprachemöglichkeiten für die eigenen Mitglieder.

Freundlicher Applaus

Als neuer Chef der Südwest-Liberalen konnte Michael Theurer mit seiner Dreikönigs-Premiere zufrieden sein. Die Delegierten beklatschten seine Rede zwar nicht gerade frenetisch, aber durchaus freundlich. Scharfe Kritik an schwarz-rot in Berlin, etwas moderatere an der grün-roten Regierung in Stuttgart, vor allem an der SPD - damit punktete der Europaabgeordnete bei den Delegierten. Auch die Steilvorlage, die ihm mit dem geplanten Wechsel von Ex-Kanzleramtsminister Pofalla in den Bahnvorstand geliefert wurde, verwandelte er sicher in ein (rhetorisches) Tor.

Nicht minder groß war die Zustimmung zum Leitantrag des Landesvorstands, der vor allem eine Abrechnung mit der großen Koalition darstellt. Am Beispiel der Pläne für die Vorratsdatenspeicherung illustrierte der Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke, wie sehr ein liberales Korrektiv in Berlin bereits nach wenigen Monaten fehle. In anderen Punkten wird die FDP ebenfalls auf Unzufriedenheit mit der Regierung Merkel-Gabriel setzen können. Doch alleine darauf sollte sie sich nicht verlassen; notwendig sind eigene, stringente Gegenentwürfe.

Das Prädikat „Neustart” verdienen auch jene Beschlüsse, mit denen die Südwest-FDP zur „Mitmachtpartei” werden will. Die Basis darf künftig mitreden, wenn es um den Landesvorsitzenden und die Spitzenkandidaten für Land, Bund und Europa gehen soll, einfache Mitglieder erhalten ein Rederecht auf Parteitagen - damit stellte der Konvent wichtige Weichen. So groß am Ende die Mehrheiten dafür waren, so kontrovers verliefen die vorausgehenden Debatten. Nicht jedem Liberalen fiel es leicht, sich vom Althergebrachten, vermeintlich Bewährten zu verabschieden. Doch auch das gehört eben zu einem wirklichen Neustart.