Die schwarz-gelbe Koalition regiert noch. Aber sie verfolgt mit den angekündigten Steuersenkungen das falsche Ziel, meint StZ-Autor Armin Käfer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Bis Weihnachten dauert es noch ein paar Wochen, aber die Bundesregierung hat jetzt schon ihren Gabentisch gerichtet. Sie verspricht Geschenke an Steuerzahler, Familien - und an den eigenen Juniorpartner, die FDP. Inmitten der Krise hat sich Schwarz-Gelb zu einer Art Gute-Laune-Politik entschieden.

 

Deren Substanz hält jedoch nicht, was die Verpackung verspricht. Immerhin scheint die Koalition überhaupt noch zu Kompromissen imstande zu sein. Über Wochen hatte sich der Eindruck verfestigt, sie befinde sich schon im Stadium der Selbstauflösung. So weit ist es offenbar noch nicht. Ob das allein schon eine gute Nachricht für unser Land ist, darf bezweifelt werden.

Eine nüchterne Bilanz der sonntäglichen Beschlüsse lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Schwarz-Gelb ist offenbar wild entschlossen weiterzuwursteln. Die sogenannte Pflegereform, die in Aussicht gestellt wird, verdient diese Überschrift nicht. Das Betreuungsgeld, auf das man sich angeblich verständigt hat, bleibt vorerst nicht mehr als ein Etikett.

 Jede Steuerentlastung ist ein Rabatt auf Pump

Und hinter die Steuerentlastungen haben jene Parteien, die im Bundesrat über ausreichendes Blockadepotenzial verfügen, prompt dicke Fragezeichen gesetzt. Zum Rettungspaket für die Koalition taugen diese vermeintlichen Geschenke nicht. Die Milliarden, die dafür aufzubringen sind, sie sind bloß der Kitt, um das Zerbröseln des maroden Bündnisses, dem es in Wahrheit an innerem Zusammenhalt fehlt, wenigstens aufzuhalten.

Vor dem Hintergrund der weltweiten Schuldenkrise und der rabiaten Sparpolitik, die andere europäische Regierungen ihren Bürgern zumuten müssen, erscheint es geradezu obszön, in Deutschland so zu tun, als könne der Staat auf Geld verzichten. Dazu gibt es überhaupt keinen Anlass. Auch unser Land gibt noch immer mehr aus, als es einnimmt. Insofern trifft der Vorwurf zu: Jede Steuerentlastung ist ein Rabatt auf Pump. Es lässt sich nur ein einziger Grund dafür anführen: die leeren Wahlkampfversprechen der FDP.

Doch für milde Gaben zu deren Gunsten ist die Lage zu ernst. Wegen der Eurokrise war die Regierung genötigt, enorme Finanzrisiken einzugehen. Die Konjunktur droht zu erlahmen. Deshalb wäre es klüger, die Sanierung der eigenen Staatsfinanzen forciert voranzutreiben und sich für schwere Zeiten zu wappnen. Die Bürger haben dafür mehr Verständnis als Liberale, die in vorgestrigem Denken verhaftet bleiben. Steuerentlastungen wirken in dieser Zeit wie ein Opfer auf dem Altar einer Gottheit, an die längst keiner mehr glaubt.

 Europas Krise wird zur Schicksalsfrage

Schwarz-Gelb regiert seit nunmehr zwei Jahren. Vieles, was versprochen war, hat die Koalition nicht erreicht. Ihre bisher bedeutendste Entscheidung - der beschleunigte Atomausstieg - war das glatte Gegenteil dessen, was sie angekündigt und zunächst beschlossen hatte. Das Programm für die zweite Hälfte der Legislaturperiode, das jetzt in Aussicht gestellt wird, ist kaum geeignet, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.

Die FDP wird ein Unsicherheitsfaktor bleiben - und CSU-Chef Seehofer ein unzuverlässiger Kantonist. Die Regierung verdankt ihren vorläufigen Fortbestand dem Mangel an alternativen Machtoptionen, der Untergangspanik in der FDP - und der Kanzlerin als ruhendem Pol. Angela Merkel ist ein Bundespräsident abhandengekommen, der Vizekanzler und mit Guttenberg die schillerndste Figur im Kabinett. Ihr hat das nicht geschadet. Die Schwäche der anderen offenbart ihre Stärken. Das gilt im europäischen Umfeld nicht weniger als auf dem Berliner Parkett.

Europas Krise wird zur Schicksalsfrage auch dieser Regierung - vielleicht auch zu ihrer Sollbruchstelle. Bei den Liberalen ist ein Mitgliederentscheid angelaufen, der den Euroskeptikern Aufwind verspricht. Sollte sich deren Politik als mehrheitsfähig erweisen, wäre die Versuchung groß, hier einen Notausgang zu suchen. Die nächste schwarz-gelbe Krise ist schon terminiert.