Dass Herbert Müller den Wiedereinzug in die IHK-Vollversammlung nicht geschafft hat, hängt wohl mit seiner Posi­tionierung pro Stuttgart 21 zusammen. Dass sein designierter Nachfolger auch mit Stuttgart-21-Aufträgen sein Geld verdient, dürfte nicht zur Verbesserung des aufgeheizten Klimas beitragen.

Stuttgart - Die Industrie- und Handelskammer (IHK) beweist Handlungsfähigkeit. Natürlich ist noch einige Wochen Zeit bis zur Wahl eines neuen Präsidenten, weshalb auch kein Zwang bestand, jetzt einen Kandidaten bekanntzugeben. Aber nach der Pleite von Amtsinhaber Herbert Müller bei der Wahl im September hätte leicht der Eindruck entstehen können, die IHK sei in einer Führungskrise.

 
In den letzten Wochen ist viel sondiert, diskutiert und beraten worden – auch ohne förmliche Bestellung einer Findungskommission. Nun präsentiert sich der 55-jährige Georg Fichtner, einer von zwei Stellvertretern Müllers, als Kandidat. Das sieht ganz nach Kontinuität aus, sozusagen nach der logischen Lösung – auch wenn er nicht der klassische Industrie-Familienunternehmer ist, den sich viele an der Spitze der Kammer wünschen. Auch als künftiger Mann für die Öffentlichkeit bringt Fichtner nicht die besten Voraussetzungen mit. Die unter seinem Vorgänger noch üblichen Jahrespressekonferenzen hat er abgeschafft. Entsprechend wenig ist über die aktuelle Lage des Ingenieurbüros bekannt.

Müller galt als erfolgreicher Kammerpräsident

Dass bereits etliche Wochen seit der Wahl zur Vollversammlung im September vergangen sind, spricht noch nicht gegen den Kandidaten. Denn die wenigsten in der Kammer haben damals wohl damit gerechnet, dass die Suche nach einem neuen Mann an der Spitze überhaupt erforderlich sein würde. Schließlich galt Müller, der Ex-Chef der Stuttgarter Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young, als ein sehr erfolgreicher Kammerpräsident.

Dass er den Wiedereinzug in die Vollversammlung nicht geschafft hat, hängt gewiss mit einem Überdruss an der Zwangseinrichtung IHK zusammen. Ausschlaggebend ist aber wohl die eindeutige Positionierung der Kammer und von Müller selbst zu Gunsten des Milliardenprojekts Stuttgart 21 gewesen. S-21- und Kammer-Gegner sind eine Allianz eingegangen und haben zahlreiche Sitze in der Vollversammlung gewonnen. Dass nun ausgerechnet ein Unternehmer, der auch mit S-21-Aufträgen sein Geld verdient, Kammerpräsident werden soll, dürfte nicht gerade zur Verbesserung des aufgeheizten Klimas beitragen.