Auch wenn die Prognose für die Kommunalwahl mit der gebotenen Vorsicht zu genießen ist: Die Wende im Rathaus wird ausbleiben. Die ökosoziale Mehrheit steht in Stuttgart, meint StZ-Lokalchef Holger Gayer.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Man muss diese ersten Zahlen mit Vorsicht genießen. Selbst so fundiert erstellte Prognosen wie jene des SWR zur Stuttgarter Gemeinderatswahl haben eine Fehlertoleranz von bis zu zwei Prozent. Trotzdem darf die wichtigste Erkenntnis dieses Sonntags schon jetzt als so gut wie sicher gelten: Dem „alten“ bürgerlichen Block ist es wohl nicht gelungen, die Mehrheit in der Stadt zurückzuerobern. Selbst wenn man die AfD mitrechnet, die erstmals auch ins Stuttgarter Rathaus einziehen wird, bleiben CDU, FDP, Freie Wähler und AfD aller Voraussicht nach in der Minderheit. Grüne, SPD, SÖS und Linke scheinen dagegen ihre Position zu halten – und das, obwohl es so aussieht, als gehe die beispiellose Talfahrt der SPD weiter, und obwohl den Grünen allenthalben Verluste vor allem aus dem Lager der S-21-Gegner vorhergesagt wurden. Doch die Grünen können offensichtlich ihr starkes Ergebnis von 2009 bestätigen, SÖS und Linke sogar noch zulegen. Gemeinsam sind sie, wenn die Zahlen am Dienstag zumindest der Spur nach bestätigt werden, neben der AfD die Sieger dieser Wahl.

 

Stuttgart ist wieder im Normalmodus – allerdings weiter links

Vor allem für CDU, FDP und Freie Wähler ist das eine ganz schlechte Nachricht. Sie müssen sich als Verlierer fühlen. Denn im Gegensatz zur letzten Gemeinderatswahl im Jahr 2009 ist Stuttgart jetzt wieder im Normalmodus angekommen – allerdings weiter links, als das vor der kommunalpolitischen Wende vor fünf Jahren der Fall war. Die Auseinandersetzung über Stuttgart 21 hat die entscheidende Bedeutung in der Kommunalpolitik zwar verloren, aber trotzdem kündet die Prognose von Sonntagabend davon, dass jene Gruppierungen, die vor fünf Jahren vor allem wegen ihrer kritischen Haltung zum Tiefbahnhof gewonnen hatten, offenkundig auch diesmal belohnt worden sind.

Der OB kann weiter auf eine ökosoziale Mehrheit bauen

Dies gilt allen Unkenrufen zum Trotz eben auch für die Grünen. Sie haben als größte Ratsfraktion bewiesen, dass sie weder eine Ein-Thema-Partei sind noch ein Schrecken für alle Bürger, die sich nicht nur um Umweltschutz sorgen, sondern auch um Wohlstand und Wirtschaftskraft. Und selbst wenn sie im Endergebnis leicht hinter die CDU zurückfallen sollten, scheinen die Grünen mit der Wahl 2014 die erste Bestätigung für ihren 2009 begonnenen Höhenflug zu erhalten. Denn die Gemeinderatswahl vor fünf Jahren markierte den Anfang einer Entwicklung, die später Winfried Kretschmann zum Ministerpräsident und Fritz Kuhn zum Oberbürgermeister von Stuttgart machte. Im Land wird Kretschmann bis 2016 weitermachen können. Und in Stuttgart hat Kuhn weitere fünf Jahre eine Mehrheit jenseits von CDU, FDP und Freien Wählern. Das deutet auf stabile Verhältnisse hin – auch wenn manch Konservativer das kaum glauben kann.