Fast 72 Jahre nach Kriegsende formuliert die Universität Stuttgart ein Schuldbekenntnis. Ein überfälliger Schritt, findet Jan Sellner.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stuttgart - Der 6. Februar 2017 wird als wichtiges Datum in die Geschichte der Universität Stuttgart eingehen. Es ist der Tag, an dem sich die Universität in aller Form für das Unrecht entschuldigte, das während der Nazidiktatur Professoren, Assistenten, Lehrbeauftragten, Mitarbeitern und nicht zuletzt Studenten und Studienwilligen zugefügt worden ist. Dazu zählte übrigens auch der frühere württembergische Staatspräsident Eugen Bolz, dem die Universitätsleitung nach dessen Entmachtung durch die Nazis die Immatrikulation verweigerte.

 

Teil dieser bitteren Wahrheit ist es, dass die rassistisch und politisch motivierten Verfolgungen in den meisten Fällen von der Uni selbst ausgingen. Sie waren „hausgemacht“, wie die verdienstvollen Forschungen unter Anleitung des Leiters des Universitätsarchivs, Norbert Becker, ergaben. An dem Ort des Geistes herrschte und wütete der nationalsozialistische Ungeist in übler Weise. Die Stuttgarter Hochschule pflegte bewusst niedere Instinkte – das drückte sich auch in der Beschäftigung von mehr als 290 Zwangsarbeitern aus.

Dass das Schuldbekenntnis und die Entschuldigung bei den festgestellten 440 Opfern und ihren Angehörigen erst jetzt erfolgte – fast 72 Jahre nach Kriegsende –, zeugt von jahrzehntelangem Nichtwissen- und wahrhaben wollen. Umso wichtiger war dieser Schritt.

jan.sellner@stzn.de