Nach Wolfang Schusters Entscheidung nicht mehr anzutreten, stellt sich die Frage: Wer könnte als Rathauschef in Stuttgart taugen? Ein Kommentar von Achim Wörner.

Regio Desk: Achim Wörner (wö)

Stuttgart - Am 7. Oktober oder - falls im ersten Anlauf keine Entscheidung fällt - zwei Wochen später wählt Stuttgart einen neuen Oberbürgermeister. Spätestens seit Amtsinhaber Wolfgang Schuster (CDU) Anfang Januar seinen Verzicht auf eine erneute Bewerbung erklärt hat, ist die spannende Frage, wen die Parteien nun ins Rennen um den Chefsessel im größten Rathaus des Landes schicken. Doch unabhängig von der politischen Couleur: die Suche nach geeigneten Bewerbern für den bedeutenden Posten gestaltet sich schwierig.

 

Bei der SPD herrscht im Moment völlige Fehlanzeige, und die Grünen haben sich bereits mehrere Absagen eingehandelt. Dabei verwundert nur auf den ersten Blick, dass die Kandidatendämmerung zäh verläuft. Denn ohne Zweifel hat die überraschende Entscheidung Schusters vor drei Wochen die Ausgangslage verändert. Den Lagerwahlkampf, den die Grünen mit Verweis auf Stuttgart 21 gerne gegen den Schultes geführt hätten, ist so nicht mehr möglich.

Eine Herausforderung selbst für gestandene Führungskräfte

Plötzlich brauchen die Ökopaxe eine Persönlichkeit mit ausgleichendem Charakter. Doch insgesamt ist das personelle Reservoir der zuletzt so erfolgsverwöhnten Regierungspartei knapp geworden: viele Talente sind mit Posten versorgt. Hinzu kommt, dass die Erwartungshaltung gerade an einen Grünen extrem hoch ist. Alles andere, als jetzt auch noch das Rathaus zu erobern, wäre eine bittere Enttäuschung. Die Niederlage ginge mit dem Kandidaten heim.

Ähnliche Überlegungen schrecken wohl auch potenzielle Bewerber aus dem Lager der Sozialdemokraten ab. Zumal der Blick auf die kommunalpolitische Gesamtgemengelage deutlich macht, dass ein SPD-Kandidat es zwischen Schwarz und Grün reichlich schwer haben dürfte zu reüssieren. Hinzu kommt nicht zuletzt der Respekt vor der Aufgabe selbst, der alle beschleicht, die sich mit dem Amt des Rathauschefs in Stuttgart befassen. Denn für ein - gemessen an privatwirtschaftlichen Maßstäben - bescheidenes Salär, erwarten das Stadtoberhaupt 14- bis 16-Stunden-Arbeitstage.

Einerseits hat der OB einen Konzern mit rund 20.000 Mitarbeitern zu führen; andererseits gehen die Bürger wie selbstverständlich davon aus, dass sich der erste Mann der Stadt an Abenden und Wochenenden bei allerlei Feiern und Festivitäten sehen lässt. Dies ganz abgesehen davon, dass das Handeln an der Rathausspitze stets Gegenstand öffentlicher, kritischer Debatten ist. Das empfinden selbst gestandene Führungskräfte als eine Herausforderung.

Die Vorlage der CDU wird Grüne und SPD in Zugzwang bringen

Allerdings steht dem entgegen, dass in der reichen Landeshauptstadt echter Gestaltungsspielraum besteht, der reizvoll sein muss für kompetente Machertypen. Dass sich solche durchaus für Stuttgart interessieren, zeigt sich - ein wenig überraschend - zurzeit am Beispiel der CDU. Gewiss hat der Kreischef Stefan Kaufmann seinen Favoriten, den parteilosen Unternehmer Sebastian Turner, innerhalb der Union in dilettantischer Weise eingeführt und interne Gegenkandidaturen regelrecht provoziert.

Gleichwohl zeugt es von Mut, dem inzestuösen Parteienbetrieb frisches Blut zuführen zu wollen. Und es verdient Achtung, dass ein erfolgreicher Unternehmer sich erwärmt für die Politik. Wenn nun zusätzlich mit dem früheren Singener OB Andreas Renner ein ganz anders profilierter, aber ebenfalls hoffähiger Fahrensmann der Christdemokratie Ansprüche anmeldet, hat die Basis schon zwei Bewerber zur Vorauswahl, die später für die Union durchaus Bella Figura machen könnten.

Jedoch muss es der im Ränkespiel erfahrenen CDU gelingen, allen Bewerbern ein offenes, transparentes und faires Verfahren zu garantieren. Und da ist zuallererst der Kreischef gefordert. Die Vorlage der CDU wird Grüne und SPD in Zugzwang bringen, die mittlerweile auch aus taktischem Kalkül abwarten. So gibt es Hoffnung, dass sich Stuttgarts Bürgern bei der Wahl im Herbst doch noch ein achtbares Kandidatentableau bieten wird.