Am Ende einer langen Oscar-Nacht räumt „Birdman“ ordentlich ab und der Brite Eddie Redmayne gewinnt zurecht einen Preis. Leider geht das „Salz der Erde“ leer aus. Doch das hat einen guten Grund, meint der StZ-Kulturchef Tim Schleider.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Am Ende einer langen Oscar-Nacht ist „Birdman“ der große Gewinner der diesjährigen Academy Awards und der Mexikaner Alejandro G. Iñárritu ist der strahlende Sieger. Bester Film, beste Regie, bestes Drehbuch, beste Kamera – alles, was die künstlerische Substanz eines Kinowerkes ausmacht, ist mit Preisen bedacht. Und das Allerschönste daran: niemand wird darüber meckern. Die skurrile Geschichte über einen in die Jahre gekommenen Hollywoodstar, der mit aller Macht auf dem Broadway einen Theatererfolg erzielen will, wird als Film zweifellos auch in fünf oder zehn Jahren künstlerisch seinen Rang haben. Einziger Wermutstropfen, sicher auch für Iñárritu selbst: ausgerechnet das Zentrum seiner Geschichte, der Hauptdarsteller Michael Keaton, dessen Sieg als bester Schauspieler vorab eigentlich als sicher galt, ging leer aus.

 

Woran das lag? Daran, dass die Academy einen der stärksten Filmjahrgänge seit langer Zeit zu bewerten hatte. Und daran, dass sie dabei offenbar so gerecht wie nur irgend möglich vorgehen wollte. Der Brite Eddie Redmayne gewann statt Keaton für seine tatsächlich überwältigend differenzierte Darstellung des Physikers Stephen Hawking in dem Drama „Die Entdeckung der Unendlichkeit“. Beifall ohne Abstriche auch für die besten Schauspielerinnen Julianne Moore („Still Alice“) und Patricia Arquette („Boyhood“). Weitere wichtige Preise für das Weltkriegsdrama „Imitation Game“ über Alan Turing und den fabelhaften Jazzfilm „Whiplash“. Vier schöne „kleine“ Oscars für Wes Andersons feine Komödie „Grand Budapest Hotel“, in die ja bekanntlich auch deutsche, auch Stuttgarter Filmkunst der Luxx-Studios investiert wurde.

Zweifellos hätte der Dokumentarfilm-Oscar für Wim Wenders unsere Freude hier noch perfekt gemacht. Leider ging das „Salz der Erde“ leer aus – doch immerhin aus gutem Grund: die Dokumentation „Citizenfour“ über den Whistleblower Edward Snowden auszuzeichnen, war zweifellos auch ein politischer Akt der Academy. Schließlich ist Snowden ganz offiziell ein gesuchter Staatsfeind in den Vereinigten Staaten, was der Film in schöner Deutlichkeit anprangert. Eines von vielen sehr klaren Statements in dieser Oscarnacht. And the winner was…. cinema!