Schlichtung war einmal, jetzt wird auf den Fildern erörtert. Dieses klassische Verfahren ist besser als sein Ruf. Die Bahn hat dabei einige Schläge einstecken müssen, kommentiert Thomas Durchdenwald. Der Fahrplan für Stuttgart 21 gerät aus dem Takt.

Stuttgart - Planfeststellung, Erörterungstermin, Vorhabenträgerin – es sind solche Wörter, die den Verfahren, die einer Baugenehmigung eines Großprojekts vorausgehen, den Anschein bürokratischer Monster geben, ausgestattet mit dem Spannungsfaktor einer Tretbootfahrt auf dem Max-Eyth-See. Doch das, was sich seit zwei  Wochen während der Erörterung des Filderabschnitts von Stuttgart 21 abspielt, hat mit gepflegter Langeweile und verwaltungsinterner Routine nichts zu tun.

 

Im Gegenteil: wie Schläge in einem Boxring tauschen die Bahn und ihre Kritiker die Argumente aus. Und die Gegner der Planung haben kräftig ausgeteilt, die Bahn hängt schwer benommen in den Seilen. In den Schlussrunden, in denen es von diesem Montag an um die Berechtigung des Gesamtprojekts und um die bessere Verkehrsleistung im Tiefbahnhof geht, wollen die Kritiker die Bahn zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung vollends auf den Boden schicken. Was das für das Projekt bedeutet, ist offen, zumindest Zeitverzögerungen sind wahrscheinlich. Kein Mensch weiß, wie das Eisenbahn-Bundesamt die Lage einschätzt – jene schweigsame Genehmigungsbehörde, die mit Abwesenheit glänzt und die bislang fest zu S 21 steht.

Manch einer mag sich über die Vehemenz der Debatte wundern, sie für überflüssig halten, da doch wenige Hundert Meter entfernt bereits am millionenschweren Fildertunnel gegraben wird und all die Probleme am Flughafen vom Lärmschutz bis zum S-Bahn-Mischverkehr längst bekannt sind. In der Tat kommt diese Auseinandersetzung spät, aber sie erfolgt in dem Rahmen, den das Planungsrecht vorschreibt. Mit der Aufstückelung des Gesamtprojekts in einzelne Abschnitte geht die Bahn das Risiko ein, dass sie ihre Planungen in einem Bereich aus rechtlichen Gründen ändern muss, während anderswo längst gebaut wird. Das kann Geld und Zeit kosten, dafür muss die Bahn geradestehen.

Auch Streit braucht einen verbindlichen Rahmen

Richtig ist auch, dass die Vor- und Nachteile von Stuttgart 21 in der Schlichtung unter der Ägide des omnipräsenten Heiner Geißler schon vor Jahren offengelegt worden sind. Doch politisch wirksam und planungsrechtlich verbindlich war das Ergebnis ebenso wenig wie der folgende Stresstest, der nachweisen sollte, dass die Kapazitäten ausreichen. Zwar haben Kritiker diese Aussagen immer angezweifelt, aber sie wurden im Licht des zustimmenden Volksentscheids von Bahn und Politik abgetan. Erst das jetzt von der Stadt Leinfelden-Echterdingen eingebrachte Gutachten für den Filderabschnitt stellte die Betriebssimulationen zumindest in diesem Bereich so sachkundig in Frage, dass selbst die Bahn in einer schon an schiere Hilflosigkeit erinnernden Reaktion deutliche Mängel einräumen musste. Es gehört, ganz nebenbei, zu den Kuriositäten, dass damit die von dem CDU-Oberbürgermeister Roland Klenk geführte Stadt die kritische Projektbegleitung wirksamer wahrgenommen hat als die Grünen in Stuttgart und dem Land, die diesen Anspruch ansonsten wie eine Monstranz vor sich hertragen.

So verdeutlicht der Verlauf der Anhörung nicht nur, dass Zweifel an der S-21-Bauherrin Bahn berechtigt sind, er markiert auch die Grenzen der neuen Formen der Bürgerbeteiligung von Schlichtung bis Filderdialog. Es genügt eben nicht, Kritikpunkte nur zu diskutieren, der Streit muss auch in ein verbindliches und rechtlich nachprüfbares Verfahren eingebettet sein. Insofern mag das klassische Planfeststellungsverfahren nicht gerade bürgerfreundlich sein, seine rechtliche Verbindlichkeit macht es anderen Formen überlegen.

Allerdings hat es auch Grenzen: es gebiert keine Alternativen, denn ob der teuere Fernbahnhof plus, dessen Finanzierung ungeklärt ist, oder die Gäubahntrasse besser ist, ist völlig offen. Deshalb steht momentan nur eines fest: der S-21-Fahrplan gerät auf den Fildern aus dem Takt.