Der Chef gescheitert, die Fraktion gespalten – die AfD im Landtag hat sich selbst marginalisiert. All das zeigt: Wer auf Populisten zählt, hat auf Sand gebaut, meint unser Redakteur Reiner Ruf.

Stuttgart - Wer Populisten vertraut, der hat auf Sand gebaut. Das zeigt sich dieser Tage in Großbritannien, wo sich die Propagandisten des Brexit nach dem Schlamassel, den sie angerichtet haben, schnöde aus dem Staub machen: Leute wie der frühere Londoner Bürgermeister Boris Johnson und der Ukip-Chef Nigel Farage. Das erweist sich aufs Neue bei den Rechtspopulisten von der AfD, deren Landtagsfraktion in Baden-Württemberg sich nun endgültig zerlegt hat. Wie hatte Fraktionschef Jörg Meuthen, gerade einmal zwei Wochen ist es her, doch getönt? Im Streit über den Fraktionsausschluss seines Kollegen Wolfgang Gedeon habe er sich „klar durchgesetzt“.

 

Nun erhellt sich, was solche Sprüche wert sind. Meuthen verlässt mit zwölf Getreuen die Fraktion, weil er gegen einen Antisemiten in den eigenen Reihen nicht ankam. Weder brachte er eine Zweidrittelmehrheit zustande, die für den Rauswurf Gedeons nötig gewesen wäre, noch schaffte er es, diesen von wirren Ideen gezeichneten Menschen aus der Fraktion zu werfen. So kommt es zu der bizarren Situation, dass Meuthen – neben Frauke Petry Bundeschef der AfD – juristisch prüfen lassen muss, wer sich von den beiden parlamentarischen Teilmolekülen im Landtag von Baden-Württemberg künftig rechtmäßig AfD nennen darf. Klar ist schon jetzt: Der Status als größte Oppositionsfraktion ist verloren, die AfD hat sich selbst marginalisiert.

Der Machtkampf tobt auf allen Ebenen

Politisch ist Meuthen eigentlich am Ende. Wer aus der eigenen Fraktion flüchten muss, um nicht als Freund von Antisemiten dazustehen, kann in der Bundespartei keine Autorität mehr beanspruchen. Zwar hat ihm eine Mehrheit des Bundesvorstandes Rückendeckung für seinen gescheiterten Abstimmungscoup in der Landtagsfraktion gegeben, seine Co-Vorsitzende Petry agierte aber gegen ihn. In der Partei, die sich noch immer dezidiert als Gegenmodell zu den verachteten „Kartellparteien“ inszeniert, tobt ein offener Machtkampf. Wer da mit wem und gegen wen intrigiert oder kooperiert, wer da wen malträtiert oder hofiert, hängt weniger von eigenen Überzeugungen ab als von der Überlegung, wie das eigene Machtkalkül am besten verfolgt werden kann.

Mit Antisemiten wollte Meuthen am Ende aber doch nicht in einen Topf geworfen werden. Ganz sicher weiß er, dass sich offen antisemitische Parteien in Deutschland nicht etablieren können. Vielleicht fürchtete er auch die gesellschaftliche Ächtung. Und womöglich wurde ihm bewusst, dass ein beamteter Hochschullehrer, der an einer Verwaltungshochschule des Landes künftige Bürgermeister und andere Führungskräfte des öffentlichen Dienstes ausbildet, durchaus nicht mit Antisemiten und deren Freunden gemeinsame Sache machen kann.

Die Löwen fressen ihren Bändiger

Was lässt sich aus dem trüben Schicksal Meuthens lernen? Wer mit dem Feuer spielt, verbrennt sich die Finger. Die AfD bedient gezielt nationalistische Instinkte und fremdenfeindliche Ressentiments. Das Grenzland zwischen Rechtskonservatismus und Rechtsradikalismus ist schmal – Parteivize Alexander Gauland mit seinen törichten Äußerungen zu Jérôme Boateng oder der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke mit seinen rassistischen Überlegungen zum Fortpflanzungsverhalten von Afrikanern vermochten dies ja bereits eindrucksvoll zu belegen. Auch der sich in der Regel seriös gebende Meuthen spielte bei diesen schmutzigen Spielen mitunter mit. Wie war das doch mit dem „links-rot-grün versifften 68er-Deutschland“?

Die AfD gehört zu den politischen und gesellschaftlichen Kräften, die rechtsextremes, ausländerfeindliches und antisemitisches Denken stimulieren und zur öffentlichen Äußerung ermutigen. Meuthen wähnte sich als Löwenbändiger, doch die Löwen haben ihn nun verschlungen. Der Populismus ist ein gefräßiges Ungeheuer.