Die Einigung von Genf ist mehr als erwartet, bleibt für sich aber ohne Wert, meint StZ-Redakteur Christian Gottschalk. Nun müssen sowohl Moskau als auch Kiew erst einmal ihre eigenen Reihen überzeugen.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Stuttgart Lange - hat die Freude über das Ergebnis des Genfer Krisengipfels nicht gerade gehalten. Dabei war es schon überraschend, dass sich die Beteiligten an der Ukraine-Krise, die Vertreter der USA und Europas, Russlands und der Ukraine selbst, überhaupt auf etwas geeinigt haben. Das war im Vorfeld nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Die überaus weiche und interpretierungsbedürftige Forderung, wonach alle illegalen bewaffneten Gruppen entwaffnet und alle besetzen Gebäude, Straßen und Plätze geräumt werden müssen, ist allemal besser, als wenn die Beteiligten im Streit auseinandergegangen wären. Grund zum Jubeln ist sie allerdings tatsächlich nicht. Die Arbeit fängt jetzt erst an, und sie braucht, was es in der aufgeladenen Atmosphäre kaum gibt: Zeit.

 

Moskau kann keine offiziellen Befehle geben

Im Osten der Ukraine ist die Bereitschaft, die Waffen niederzulegen, zunächst einmal gering. Das war vorhersehbar. Die Separatisten haben hier in den vergangenen Tagen gewaltig Unruhe geschürt, und niemand hatte die Mittel, ihnen machtvoll entgegenzutreten. Zumindest sind weder die ukrainische Armee noch die Polizei in der Lage, in diesem Bereich des Landes die Interessen der Kiewer Regierung durchzusetzen. Dass die massiv bewaffneten Männer in Grün vor eigener Kraft strotzend erst einmal Sprüche der Stärke zum Besten geben, muss da niemanden wundern. Offiziell kann auch Moskau keinen Befehl zum Rückzug geben, denn nach russischer Darstellung handeln die Aktivisten aus eigenem Antrieb.

Gleichwohl werden die nächsten Tage zeigen, wie ernst es Russland ist, die Krise einer Lösung zuzuführen. Daran, dass zumindest ein Großteil der Randalierer im Osten aus dem Umfeld des Kremls gesteuert wird, kann es keinen vernünftigen Zweifel geben. Es wird daher darauf ankommen, in welche Richtung die Strategen aus Russland ihr Fußvolk führen. Es wird nicht einfach werden, die Masse, die man wochenlang zu einer bestimmten Vorgehensweise animiert hat, nun vom Gegenteil zu überzeugen. Es kann noch eine Weile dauern, bis die Kehrtwende durch die Hierarchien nach unten weitergegeben wird. Und es ist noch nicht einmal ausgemacht, dass Moskau überhaupt dazu bereit sein wird, den Kursschwenk einzuleiten.

Kiew steht vor ähnlichen Problemen

In Kiew steht die Regierung vor einem ähnlich komplizierten Kampf gegen diejenigen, die eigentlich den eigenen Reihen zuzuordnen sind. Auch wenn es um den Maidan in den vergangenen Wochen ruhiger geworden ist – er ist noch immer von Aktivisten besetzt. Die gelten den Russlandsympathisanten im Osten als Inbegriff des Bösen. Wer das Genfer Papier als Grundlage für die Forderung nimmt, die besetzten Plätze im Osten zu räumen, der kommt nicht umhin anzuerkennen, dass auch der symbolträchtige Platz in der Hauptstadt geräumt werden muss – und dass die Mitglieder des Rechten Sektors ihre Waffen abgeben. Das ist allerdings nur schwer vorstellbar, solange die ihm nahestehende Swoboda-Partei in Kiew mit an der Regierung ist.