Barack Obama hat die US-Präsidentschaftswahl überraschend deutlich gewonnen. Doch vor ihm liegen viele Herausforderungen. Sein Augenmerk wird zunächst der Innenpolitik gelten. Europa muss sich daran gewöhnen, nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu sehen, meint StZ-Korrespondent Andreas Geldner.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Washington - Am Ende war das Timing für Barack Obamas Comeback perfekt. Der US-Präsident hat es mit einem - was die Zahl der Wahlmännerstimmen angeht - eher schmeichelhaften Sieg zum zweiten Mal über die Ziellinie ins Weiße Haus geschafft. Dank eines gerade noch rechtzeitig spürbaren Rückenwindes bei den Wirtschaftsdaten und einer enorm fleißigen Wahlkampforganisation konnte er ein zweites Mal die Koalition zusammenhalten, die ihn schon 2008 zum Sieg getragen hat.

 

Schwarze Wähler, junge Leute, Frauen – und vor allem die in einigen Bundesstaaten zum ersten Mal einen zweistelligen Prozentanteil an den Wählern stellenden Latinos haben ihm so unverdrossen die Treue gehalten, wie es manche Auguren in den Vereinigten Staaten zu Anfang dieses Wahlkampfes nicht mehr für möglich hielten. Paradebeispiel für die Durchschlagskraft dieser bunten Koalition ist der sich abzeichnende knappe Sieg in Florida, wo bis zuletzt alle Umfragen den Republikaner Mitt Romney klar vorne gesehen haben.

Republikaner müssen sich neu orientieren

Die Präsidentschaftswahl 2012 kann man deshalb durchaus historisch nennen. Sie ist es nicht deshalb, weil Barack Obama und Mitt Romney einen solch beeindruckenden Kampf der Ideen geführt haben. Sie ist deshalb ein politischer Wendepunkt, weil es wohl die letzte nationale Wahl gewesen ist, bei der die republikanische Partei ihre Wahlstrategie allein auf den unaufhaltsam schrumpfende weiße Bevölkerung fokussieren und sich trotzdem bis zuletzt Chancen auf den Sieg ausrechnen konnte.

Wie es mit den USA weitergeht, hängt deshalb mindestens so sehr von der politischen Strategie von Barack Obama ab wie von den Lehren, welche die Republikaner aus dieser von ihnen so nicht erwarteten Niederlage ziehen. Barack Obamas politischer Instinkt zieht ihn in die Mitte. Es ist eine bittere Ironie, dass dieser eingefleischte Pragmatiker von den Konservativen als sozialistischer Beelzebub karikiert wurde.

Der Blick richtet sich auf die Innenpolitik

Die Herausforderungen sind klar: Schon zum Jahresende stehen die Vereinigten Staaten vor radikalen Etatkürzungen und Steuererhöhungen, die vor eineinhalb Jahren im Streit um ein höheres Schuldenlimit als politische Drohkulisse vereinbart wurden, um den Druck zu einer langfristigen Lösung für die Haushaltsprobleme zu erhöhen. Schon in den kommenden Wochen wird sich deshalb abzeichnen, ob sich die weit nach rechts gerückten Republikaner weiterhin in einer Blockadepolitik verschanzen – und ob der wiedergewählte Präsident endlich einen besseren Draht zur Opposition findet.

Für den Rest der Welt bleibt nur die Botschaft: Dieser Präsident wird in nächster Zeit auf die Innenpolitik blicken. Das US-Staatsdefizit und eine schwierige Reform der Einwanderungspolitik wird in den kommenden Monaten seine Kräfte binden. Als wirklich brennendes außenpolitisches Problem hat er dann noch die Krisenherde im Nahen Osten, vor allem den nuklear aufrüstenden Iran auf der Agenda.

Europa liegt im Windschatten

Wirtschafts- und machtpolitisch steht China im Mittelpunkt. Europa muss sich hingegen daran gewöhnen, im Windschatten der Aufmerksamkeit dieses Weißen Hauses zu stehen. Das Thema Eurokrise hatte Obama schon bisher an seinen Finanzminister Timothy Geither praktisch outgesourct – für den er im übrigen bald einen Nachfolger finden muss.

Die Hoffnung an Obamas zweite Amtszeit sind gedämpft, auch im eigenen Land. Doch das kann für den wiedergewählten Präsidenten womöglich sogar eine Chance sein. Auf ihm lastet nicht mehr der Druck quasi messianischer Erwartungen. Er hat keinen globale Wirtschaftskrise im Nacken, die ihn mehr reagieren als gestalten ließ. Fortschritte wird er nur machen, wenn er es schafft, die Republikaner davon zu überzeugen, dass sie von einer Kooperation mit dem Präsidenten mehr zu gewinnen als zu verlieren haben. Ob diese Botschaft bei den amerikanischen Konservativen nach ihrer verdienten Schlappe aber ankommt, liegt allerdings nicht in der Hand von Barack Obama.