Nach 20 Jahren Vorplanung hat der Stuttgarter Gemeinderat nun den Rosensteintunnel auf den Weg gebracht. Damit wird aber nur an den Symptomen herumgedoktert, meint der StZ-Lokalchef Achim Wörner. Das Problem des Verkehrsinfarkts wird so nicht gelöst.

Regio Desk: Achim Wörner (wö)

Stuttgart - Mit unschöner Regelmäßigkeit spielen sich auf den Straßen in und um Stuttgart ausgemachte Dramen ab. Schon kleinste Karambolagen auf den Hauptrouten reichen aus, um den Verkehr zum Stillstand zu bringen und kilometerlange Staus zu erzeugen. Und nicht selten ist es allein die schiere Menge an Autos und Lastwagen, die für eine Verstopfung auf fast allen Wegen sorgen.

 

Neu ist diese Zustandsbeschreibung nicht. Sowohl die Bürger der Landeshauptstadt als auch die Pendler aus dem Umland und nicht zuletzt die heimische Wirtschaft beklagen die Misere seit vielen Jahren. Und in regelmäßigen Abständen ist die Stauregion auch Gegenstand von politischen Debatten – so zuletzt auch im Wahlkampf um den Oberbürgermeisterposten in Stuttgart. Die nüchterne Erkenntnis dabei: ein so dicht besiedelter Ballungsraum wie jener am Mittleren Neckar wird nie eine vollständig staufreie Zone sein. Zumal es keine Patentrezepte gibt, die dem Übel vorbeugen oder es auch nur lindern können.

Das Problem wird nicht an der Wurzel gepackt

Der Rosensteintunnel, den der Stuttgarter Gemeinderat jetzt, nach zwanzigjähriger Vorplanung, auf den Weg gebracht hat, ist das beste Beispiel dafür. Gewiss ist der weitere Ausbau der wichtigen, durch die Landeshauptstadt führenden Verbindungsachse zwischen Esslingen und Ludwigsburg ein Segen: die Blechlawine wird dann besser rollen, Wohngebiete werden vom Schleichverkehr entlastet. Zugleich aber sind die Röhren 200 Millionen Euro teuer, binden also einen erklecklichen Teil knapper finanzieller Mittel – und kurieren doch nur an einer Ecke am Symptom, ohne das Problem an der Wurzel zu packen.


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Deutlich wird auf diese Weise, dass es sehr viel stärker als bisher eine langfristig angelegte, integrierte Mobilitätspolitik braucht. Denn vorbei sind die Zeiten, in denen Verkehrsfragen nur unter dem Gesichtspunkt des Autos oder allenfalls noch der Busse und Bahnen betrachtet werden konnten. Notwendig sind ganze Bündel sich ergänzender Maßnahmen. Und auch wenn es mittlerweile diverse Ansätze gibt: die Herausforderung nicht zuletzt für den neuen grünen OB Fritz Kuhn wird darin bestehen, aus einzelnen Versatzstücken ein sinnvolles Gesamtkonzept zu schmieden.

Die Frage nach Tempolimits, die vorschnell und zu Unrecht ideologisch befrachtet wird, ist dabei ebenfalls nur ein Aspekt. Die Erwartungen an solch schwierig umzusetzende Reglementierungen sollten nicht zu hoch geschraubt werden. Weitere Bausteine werden notwendig sein: die Förderung der E-Mobilität beispielsweise, um eine bessere Luft zu erreichen; ein Ausbau der Verkehrsleitzentrale, um die Autokarawanen besser zu steuern; oder ein besseres Parkraummanagement.

Ermutigendes Beispiel in der Stadt

Es braucht Überlegungen, wie der öffentliche Nahverkehr weiter gestärkt werden kann – das Potenzial ist da noch nicht ausgereizt. Zusätzliche Radwege müssen ausgewiesen werden. Eine Mobilitätskarte, mit der sich zugleich ein Auto mieten, die S-Bahn bezahlen oder ein Fahrrad leihen lässt, könnte eine Überlegung wert sein, um Straße und Schiene optimal zu vernetzen. Und auch die moderne Technik kann helfen, um bei Bedarf von unterwegs eine Routenplanung unter Einschluss aller Verkehrsträger zu ermöglichen. Ein ermutigendes Beispiel in diesem Zusammenhang ist schon heute die Umwandlung der Tübinger Straße zu einer sogenannten Shared-Space-Zone, in der Fußgänger, Rad- und Autofahrer gleiche Rechte haben.

Sicher aber ist, dass sich die Verkehrsmisere allein lokal nicht lösen lässt, sondern nur unter Einbindung der Region und des Landes, wenn es beispielsweise um mehr Park-and-Ride Plätze oder einen Ausbau des S-Bahnnetzes Richtung Göppingen geht. All das klingt nach der Quadratur des Kreises. Doch eben diese muss gelingen, wenn sich die täglichen Dramen nicht zu Tragödien auswachsen sollen.