Der Europäische Gerichtshof hat das EU-Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt. Doch es wäre fahrlässig, den Sicherheitsbehörden gegenüber kriminellen Aktivitäten Blindheit und Taubheit zu verordnen, kommentiert der StZ-Redakteur Armin Käfer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Luxemburg - Wer sich unter der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung nichts vorstellen kann, dem könnte man sie kurz und knapp so erklären: Es handelt sich um eine Lightversion dessen, was Edward Snowden von seinem früheren Arbeitgeber zu berichten wusste – von der Globalspionage des US-Geheimdienstes NSA.

 

Während bisher noch immer nicht klar ist, wen die NSA in welchem Umfang und welcher Detailgenauigkeit bespitzelt, wozu die ausspionierten Daten verwendet und wie lange sie gespeichert werden, müssen die europäischen Kollegen vergleichbare Praktiken erst einmal einstellen. Zumindest gebietet das der am Dienstag ergangene Beschluss des Europäischen Gerichtshofs. Er hat besagte Richtlinie für null und nichtig erklärt – die Vorratsdatenspeicherung aber nicht grundsätzlich für illegitim.

Das ist ein Triumph für Datenschützer und ein schwerer Rückschlag für alle Sicherheitsbehörden, die seit Jahren betonen, ohne Vorratsdatenspeicherung könnten sie Mafiosi und Terroristen nicht Herr werden.

Jetzt ist die EU am Zug

In Deutschland wird sich zunächst gar nichts ändern. Das hierzulande auf Grundlage der besagten EU-Richtlinie erlassene Bundesgesetz hat das Bundesverfassungsgericht schon vor vier Jahren gekippt. Seitdem gibt es in Deutschland keine rechtliche Grundlage für Vorratsdatenspeicherung.

Die große Koalition hatte sich vorgenommen, das zu ändern. Vorerst wird aber nichts daraus. Zunächst ist nun die EU am Zug. Natürlich wäre es auch möglich, unabhängig von der EU ein nationales Gesetz zu schaffen, das es erlaubt, Verbindungsdaten von Telefongesellschaften, Handyfirmen und Internetbetreibern unter den strikten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts speichern zu lassen. Die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs sind allerdings noch strenger. Diese juristische Klippe zu umschiffen, wird ein heikles Unterfangen.

Fest steht aber auch: Der Rechtsstaat hat eine offene Flanke. Terroristen und kriminelle Netzwerke nutzen Handys und Internet, um ihre Verbrechen zu organisieren. Es wäre fahrlässig, den Sicherheitsbehörden gegenüber solchen Aktivitäten komplette Blindheit und Taubheit zu verordnen.