In Deutschland wird hitzig über Fußballvereine wie Red Bull Leipzig, die TSG Hoffenheim oder auch den VfL Wolfsburg diskutiert, die für viele Anhänger für die Exzesse der Kommerzialisierung stehen.
Die Kommerzialisierung ist ein konstitutiver Bestandteil des modernen Profifußballs und per se nichts Verwerfliches. Vereine wie Hoffenheim, Wolfsburg und auch Leipzig setzen hingegen die klassischen Marktmechanismen außer Kraft. Dennoch unterscheiden sich bei allen drei Vereinen die Motive. Dietmar Hopp wollte halt seinen Heimatverein in der Bundesliga sehen und darüber hinaus seiner Heimatregion einen Bundesligisten spendieren. In Wolfsburg hält sich der Volkswagen-Konzern einen eigenen Bundesligisten, um den Standort für die Mitarbeiter attraktiver zu machen. Bei Red Bull sieht das anders aus. Denen ist der Standort Leipzig egal, und auch der Fußball ist nur Mittel zum Zweck. Red Bull will nur eines: die größtmögliche Aufmerksamkeit. Und weil sich Red Bull als Gewinnermarke sieht, wird mit unglaublich viel Geld ein zukünftiger Meister und Champions-League-Sieger hochgezüchtet.
Ist das Red-Bull-Motto: PR um jeden Preis?
Red Bull ist mittlerweile eine Marketingmaschine, die zufällig auch Energydrinks verkauft. Mehr als ein Drittel des Gesamtumsatzes wird in Marketing investiert und damit mehr Geld in Events und Sport gesteckt als in die Herstellung der Getränke. Dabei tritt Red Bull häufig selbst als Event-Veranstalter auf, beispielsweise beim Red Bull Air Race. So muss man sich von niemandem reinreden lassen. Dasselbe gilt auch für den Bereich Fußball. Statt bei einem Bundesligisten einer von vielen Sponsoren zu sein, setzt man bei Red Bull auf konzerneigene Fußballclubs wie RB Leipzig, FC Red Bull Salzburg, New York Red Bulls und Red Bull Brasil. Diese Clubs werden wie Tochtergesellschaften geführt. Das ist legitim. Nur sollte niemand annehmen, dass diese Investments aus Liebe zum Fußball getätigt werden.
Die Beliebtheit großer Sportereignisse scheint allen Problemen und Debatten zum Trotz aber ungebrochen zu sein?
Bedingt. Auf der einen Seite gibt es diejenigen Zuschauer, die jegliche Sportkommerzialisierung ablehnen und sich gleichzeitig darüber aufregen, wenn ihr Lieblingsverein keine guten Spieler verpflichtet. Auf der anderen Seite diejenigen, die offensichtlichen Missständen völlig unkritisch gegenüberstehen und nur einfach gut unterhalten werden wollen. Und dazwischen gibt es eine kritische Öffentlichkeit, die gewisse Funktionäre nicht mehr länger erträgt, zugleich aber auch in den Wettkämpfen mit den Sportlern mitfiebert. Ich glaube, dass der dritte Zuschauertyp immer desillusionierter wird und die reale Gefahr besteht, dass sich in Zukunft viele Menschen aus Frust vom Profisport abwenden.
Wo ist Ihre Schmerzgrenze?
Wenn man irgendwann einmal ein VfB-Spiel von einem Coke-Zero-Platz in der Krombacher-Reihe des Würth-Blocks auf der EnBW-Tribüne der Mercedes-Benz-Arena verfolgt, wäre die Grenze der Sportkommerzialisierung sicher überschritten.

Beruf:
André Bühler (39) ist Professor für Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen sowie Leiter des Deutschen Instituts für Sportmarketing (DISM).

 

Privat:
Bühler ist Anhänger des Handball-Bundesligisten Frisch Auf Göppingen und hat dort seit 25 Jahren eine Dauerkarte.