Das Parteiensystem auf lokaler Ebene zersplittert. Nicht nur das geänderte Wahlrecht hilft neuen Listen. Häufig gibt es Abspaltungen von etablierten Parteien, oder örtliche Unzufriedenheit kanalisiert sich in Kandidaturen.

Magstadt/Weissach - Die Bagger beißen sich in das Erdreich. Es ist ein großer Tag für die kleine Kommune Weissach, denn endlich beginnt der Bau eines Kinderhauses, zum großen Teil finanziert vom Sportwagenhersteller Porsche. Die Honoratioren stehen Spalier, Kinder haben aus Bauklötzen ihre künftige Kita schon mal modellhaft zusammengebastelt. Nur Horst Klink, Gerhard Mann, Susanne Herrmann und Adelheid Steckfuß sitzen mit skeptischen Mienen abseits. Sie lehnen die ständige Expansion von Porsche ebenso ab wie die Kita in Kooperation mit der Firma.

 

Inzwischen ist die Kita längst fertig, die ersten Kinder von Porsche-Mitarbeitern werden dort betreut. Und die vier Kritiker sitzen nicht mehr im Abseits: Sie haben bei der Kommunalwahl mit ihrer Unabhängigen Liste 25 Prozent der Stimmen bekommen und können seither ein gewichtiges Wort mitreden. „Wir stellen viele wichtige Fragen, die andere dann aufgreifen“, sagt Horst Klink, der selbst bei Porsche arbeitet, aber auch die Haltung seiner Liste vertritt: kein unbegrenztes Wachstum des Weissacher Entwicklungszentrums und keine Testfahrten in der Nacht.

Hinter der Gruppe steht eine Geisteshaltung, die in Baden-Württemberg weit verbreitet ist: wertkonservative Bewahrung der Schöpfung, Gemeinsinn statt Kommerz, Natur statt Wachstum. Es ist kein postmaterialistisches Weltbild, wie es das Gros der Grünen propagiert. Die Weissacher Porsche-Gegner erinnern eher an Herbert Gruhl, den konservativen Mitbegründer der Ökopartei, der aus einem christlichen Weltbild heraus zum Umweltschützer wurde. Die Berufe der vier Kritiker, die nun im Weissacher Gemeinderat sitzen, sind dementsprechen bürgerlich: ein Ingenieur beim Landesvermessungsamt, ein Rettungsassistent, eine Lehrerin – und eben ein Mitarbeiter von Porsche.

Das Beispiel ist typisch für ein neues Bürgerengagement, das seit einigen Jahren in vielen Städten und Gemeinden zu beobachten ist. In Stuttgart sitzen inzwischen sogar elf Gruppierungen im Gemeinderat. Bereits seit 2004 gibt es eine Abspaltung von den Grünen im Gremium, die Liste SÖS protestiert vor allem gegen Stuttgart 21. Nun haben es zudem die Studentische Liste und die „Stadtisten“ in den Rat geschafft.