Die Investitionen in Straßen, Brücken, Schulen und Kitas belasten die mittelfristige Finanzplanung und werden den kommenden Gemeinderat beschäftigen. Weil viele Baumaßnahmen nicht erledigt werden, konnte in den vergangenen Jahren auf die geplante Kreditaufnahme verzichten.

Stuttgart - Der Gemeinderat und Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) liegen in der Einschätzung der Leistungskraft der Kommune weit auseinander. Während Fraktionen und auch die Personalvertretung dem Kämmerer vorhalten, die Lage stets schlecht zu reden, verweist die Rathausspitze auf eine mäßige Liquidität, geringere Erwartungen an Steuereinnahmen und Kapitalerträge sowie starke Belastungen in der mittelfristigen Finanzplanung bis 2018. Stuttgart sei keine reiche Stadt, sagte Föll vor einiger Zeit, sondern – etwa im Vergleich zu hoch verschuldeten Großstädten im Ruhrpott – nur eine weniger arme.

 

Die gute Nachricht: der reine Stadthaushalt wies zum Jahresende mit einem Umfang von rund 2,3 Milliarden nur noch Verbindlichkeiten gegenüber Banken von 27 Millionen Euro auf. Die Eigenbetriebe stehen dagegen mit 600 Millionen in der Kreide, sind aber im wesentlichen gebührenfinanziert, die Einnahmen sind also sicher. Für die nächste Stadtrats-Generation gibt es demnach Gestaltungsspielraum.

Die schlechte Botschaft: die von Manfred Rommel begonnene und von seinem Nachfolger Wolfgang Schuster übernommene Haushaltskonsolidierung hat das Loch in der Stadtkasse gestopft, aber dafür andere Lücken gerissen. Der fehlende Investitionsspielraum und die Konzentration der verbliebenen Mittel auf wenige Prestigeprojekte sowie der Grundstückskauf und die Rückstellungen im Zuge von Stuttgart 21 (rund eine Milliarde Euro) führten zu einer Vernachlässigung der in Beton gegossenen städtischen Infrastruktur. Das rächt sich jetzt und macht bei Schulen, Kitas, Sporthallen, Verwaltungsbauten, Straßen, Brücken, Haltestellen, Treppenanlagen, Heizungen und Kühlanlagen Sanierungsmaßnahmen im hohen dreistelligen Millionenbereich erforderlich.

Hinzu kommen ähnlich hohe Investitionen wegen neuer gesetzlicher Anforderungen in den Kitaausbau und in die Schullandschaft. Das haben auch alle Fraktionen eingesehen und die Weichen dafür gestellt. OB Fritz Kuhn (Grüne) hat zudem festgestellt, dass beim städtischen Personal auf Verschleiß gefahren wurde. Viel zu viel Stellen seien abgebaut worden. Im Haushalt 2014/2015 wurden fast 1000 neue Arbeitsplätze beschlossen, die meisten für Erzieherinnen im Zuge des Kita-Ausbaus. Weitere finanzielle Herausforderungen stellen der Rückkauf der Versorgungsnetze dar, die Sanierung der Staatstheater und die Unterstützung des Neubaus des städtischen Klinikums.

Die Ergebnisse der vergangenen Haushaltsjahre lagen stets über den Erwartungen des Finanzbürgermeisters – daher rührt auch die Kritik des Gemeinderats. Michael Föll wird aber nicht müde, den Stadträten die Bedeutung der freien Liquidität näher zu bringen. Die Überschüsse lägen im Wesentlichen in den Haushaltsresten begründet, also in Investitionsmitteln, die nicht ausgegeben werden konnten, aber zweckgebunden ins nächste Jahre übertragen werden müssen. Die flüssigen Mittel beliefen sich nur auf rund 70 Millionen Euro, das sind gerade drei Prozent des Jahresvolumens.

Wegen der guten Konjunktur hat es sich die Stadt zuletzt leisten können, auf die in den Etatberatungen von allen großen Fraktionen gebilligten Kreditermächtigungen zu verzichten. Für 2014 beläuft sich die geplante Schuldenaufnahme 22,3 und für 2015 auf 142,8 Millionen Euro. Im Rathaus hofft man, aber auch dieses Mal ungeschoren davon zu kommen. Aber zumindest mittelfristig befürchtet Föll ein strukturelles Einnahmeproblem. Stuttgart verfügt über eine überdurchschnittliche hohe Steuerkraft, die Entwicklung der Gewerbesteuer gibt aber Anlass zur Sorge. Der gewerbliche Mittelstand macht sich zunehmend rar, weil es im Umland günstigere Bedingungen gibt. Großkonzerne wie VW/Porsche oder Allianz reduzieren durch Gewinnabführungsverträge zwar nicht die Steuersumme an sich, der auf Stuttgart entfallende Anteil wird aber geringer.

Die Entscheidung, den Anteil an der Landesbank (LBBW) Baden-Württemberg bei 18,9 Prozent zu belassen und sich an der Kapitalerhöhung um fünf Milliarden Euro zu beteiligen, hat die Stadt Geld gekostet. Mit dem zweiten Schritt, der Umwandlung von ordentlich verzinsten stillen Einlagen in (vorerst) unverzinsliche Anteile und dem Verzicht auf eine Nachholung von Zinszahlungen, summiert sich der städtische Verlust auf bisher rund 350 Millionen Euro. Dass die LBBW für 2013 zwölf Millionen Euro überweist, werten die Befürworter denn auch als Erfolg. Der Kämmerer erinnert sich dagegen an die in Aussicht gestellte Summe von 22,5 Millionen Euro.

Kommunalomat zur Wahl in Stuttgart

Was die Grünen zu den städtischen Finanzen sagen

Was die städtische Finanzpolitik angeht, wollen die Grünen den Sanierungs- und Investitionskurs fortsetzen, den sie seit 2009 eingeschlagen hätten. Während sich die damalige Mehrheit über Jahre der Haushaltskonsolidierung gerühmt habe, sei das städtische Vermögen dramatisch verfallen. „In den Schulen fielen die Decken herunter und die Fenster aus dem Rahmen, Schwimmbäder verloren Wasser, Straßen und Stäffele – kaum ein Bereich, in dem die notwendigsten Erhaltungsmaßnahmen nicht vernachlässigt wurden“.

Der Ausbau der Kinderbetreuung und der Ganztagesschule würden auch weiterhin Schwerpunkte der Haushaltspolitik sein. Aber auch die Förderung der vielfältigen Kulturlandschaft. Nachhaltig investieren sei für die Grünen ein wichtiger Grundsatz. Investitionen in Sanierung, Bildung und Kinder seien gut angelegtes Geld, denn das rechnee sich in der Zukunft.

Was die CDU zu den städtischen Finanzen sagt

Was in Stuttgart mit wesentlicher Initiative der CDU schon lange praktiziert worden sei, habe inzwischen Eingang in Bundesgesetze gefunden: „Es darf nicht mehr Geld ausgegeben werden als eingenommen wird.“ So müsse durch eine kluge Wirtschaftspolitik dafür gesorgt werden, dass viele Menschen hier arbeiten und wohnen könnten und in Stuttgart ihre Steuern zahlen – und dass viele finanzstarke Betriebe hier ihre Gewerbesteuer entrichteten. Mit den Steuermitteln müsse aber sorgsam umgegangen werden, im Sinne der Bürger und einer echten und nachhaltigen Generationengerechtigkeit.

Mit Sorge sieht die Union, dass der Kurs der soliden Finanzen unter grün-rot-linker Mehrheit im Rathaus aufgegeben worden und im Haushalt hohe Kreditermächtigungen vorgesehen seien. Bestrebungen, Defizite durch Steuererhöhungen und Erhöhungen der Abgaben auszugleichen, lehnt die CDU ab.

Was die SPD zu den städtischen Finanzen sagt

Die SPD kündigt an, ihre solide Haushaltspolitik fortzusetzen und nur so viel Geld auszugeben, wie es die Einnahmen zuließen. Mit Rücksicht auf künftige Generationen müsse die Verschuldung der Stadt gering bleiben. Damit Gebühren und kommunale Steuern von der Bürgerschaft noch als gerecht empfunden würden, dürften sie nicht ins Uferlose steigen.

Wie bisher sehen die Stuttgarter Genossen im Rathaus ihre Schwerpunkte vorrangig beim Ausbau der Kinderbetreuung sowie der Weiterentwicklung und Sanierung unserer Schulen. Auch der Erhalt einer leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur stehe ganz oben auf unserer Prioritätenliste. Für die vielen Aufgaben der Stadt seien qualifizierte und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtig. Deshalb kämpfe die SPD auch für eine bürgernahe Verwaltung, mit vorbildlichen Arbeitsbedingungen.

Was die Freien Wähler zu den städtischen Finanzen sagen

Die Freien Wähler stehen nach eigener Aussage für einen soliden und ausgeglichenen Haushalt, in dem Ausgaben die Einnahmen nicht übersteigen. Wohltaten auf Pump beziehungsweise zu Lasten der kommenden Generationen lehnen sie ab. Das immer wieder eingestimmte Lamento‚ Stuttgart sei „kaputt gespart“ worden, sehen die Freien Wähler lediglich als Vorwand. In vergleichbaren Städten sei die Infrastruktur in einem ähnlich verbesserungswürdigen Zustand, diese Städte würden aber von ihrer Schuldenlast erdrückt. Die Gruppierung fordert „Ehrlichkeit gegenüber allen, die Förderungen aus dem Stadthaushalt erhalten“. Immer neue Zuschusserhöhungen bei erkennbar dauerhaft zurückgehenden Gewerbesteuereinnahmen seien mit den Freien Wählern nicht zu machen. Bei der Betrachtung der Stadtfinanzen hätten sie auch den erheblich gestiegenen Zuwachs der Verschuldung der Eigenbetriebe im Blick.

Was die FDP zu den städtischen Finanzen sagt

Stuttgarts Finanzlage ist nach Ansicht der FDP „überdurchschnittlich gut“. Die Finanzkraft sei hoch, die Verschuldung liege weit unter dem bundesweiten Durchschnitt. Eine disziplinierte Finanzpolitik sei damit nicht aus der Verantwortung entlassen, sondern sei im Gegenteil auch weiterhin die Bedingung dafür. Die Liberalen setzten sich unter anderem für eine Rücknahme der Grundsteuererhöhung ein und für eine Zurückhaltung der öffentlichen Hand Stuttgarts bei wirtschaftlichen Unternehmungen aller Art. Das Gemeindewirtschaftsrecht mache hier klare Aussagen, die die FDP angewandt sehen wollen. Weitere Ziele seien die Reform der kommunalen Finanzen, bei der das Element der Gewerbesteuer adäquat und konjunkturunabhängiger ersetzt werden könnte, sowie eine transparente Haushaltspolitik, bei der das Instrument des „Bürgerhaushalts“ weiter ausgebaut werde.

Was SÖS/Linke zu den städtischen Finanzen sagen

Die Wende zu einer ökologischen und sozialen Stadt ist nach Ansicht der SÖS keine Frage des Geldes, sondern schlichte Notwendigkeit. Allein der Ausstieg aus den Projekten S 21 und Rosensteintunnel bringe der Stadt 880 Millionen Euro, mache Schulden unnötig und spare Zinsen in Millionenhöhe. Eine geringfügige Gewerbesteuererhöhung reiche aus, um ein kostenloses Mittagessen für alle Kinder anzubieten.

Für die Linke ist Stuttgart eine reiche Stadt. Der Schuldenabbau täusche Solidität vor, tatsächlich seien die Instandhaltung der Substanz unterlassen und nötige Investitionen in die Zukunft verschoben worden. Die Haltung zu den Großprojekten teilt die Linke mit der SÖS. Weil die großen Unternehmen von der öffentlich finanzierten Infrastruktur profitieren, sollen sie sich an der Finanzierung mehr beteiligen. Deshalb tritt die Linke für eine Erhöhung der „ausgesprochen niedrigen“ Gewerbesteuer ein.