Seit langem ziehen die Ratsfraktionen auf diesem Politikfeld an einem Strang. Das ist ein Grund für den Erfolg in diesem Bereich. Mit dem Willkommenszentrum und dem Welthaus setzen der Oberbürgermeister und der Rat nun neue Akzente.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Von einem Wahlkampfthema spricht man üblicherweise dann, wenn die zur Wahl stehenden Parteien in einer Sachfrage mit sehr unterschiedlichen Positionen um die Gunst der Wähler werben. So betrachtet taugen die Themen Flüchtlingspolitik und Integration dazu im Kommunalwahlkampf kaum. Seit Jahren ist das städtische Handeln hier von einem breiten Konsens der Ratsfraktionen getragen, auch als es zuletzt um den Neubau von Unterkünften für die wachsende Zahl von Flüchtlingen ging, was in einigen Stadtbezirken nicht unumstritten war. Diese Einmütigkeit ist ein wichtiger Grund für die Erfolge auf diesem Politikfeld.

 

Stuttgart hat in der Integrationspolitik seit langem einen sehr guten Ruf, zuerst unter dem verstorbenen Alt-OB Manfred Rommel, dann unter seinem Nachfolger Wolfgang Schuster. Gemeinsam mit dem Rat verfolgt nun auch der grüne Oberbürgermeister Fritz Kuhn diese Linie, die er mit neuen Akzenten versieht.

Erstmals eine zentrale Anlaufstelle

So soll im Juli im Alten Waisenhaus am Charlottenplatz ein Willkommenszentrum für Neubürger eröffnet werden. Damit wird nicht zuletzt für Neuankömmlinge aus dem Ausland erstmals eine zentrale Anlaufstelle mitten in der City geschaffen. Hier sollen die Menschen eine erste grundlegende Beratung erhalten, etwa zu Deutschkursen, zum Aufenthaltsrecht, aber auch zu Wohn- und Bildungsangeboten und zur Kinderbetreuung. Die neue Einrichtung soll das Ankommen der Menschen erleichtern und ihre Integration einfacher machen.

In dem geplanten Willkommenszentrum können Kontakte zu Landsleuten angebahnt werden, etwa durch die Verbindung zu Migrantenvereinen, aber auch zu anderen Organisationen. Ein Treffen, an dem vor kurzem auch Bürgerinitiativen und Vertreter des Stuttgarter Sportkreises teilnahmen, habe gezeigt, „dass sich die Vereine als Brückenbauer in die Stadtgesellschaft verstehen“, sagt Gari Pavkovic, der Leiter der Abteilung Integration im Rathaus. Er ist überzeugt: „Im Willkommenszentrum werden Bürgergruppen zusammenkommen, die sonst wenig Berührungspunkte hätten.“

Günstig ist, dass die neue Einrichtung mit der Wirtschaftsförderung der Region betrieben wird, die sich mit ihrem Personal um die Vermittlung von Fachkräften in Stuttgart und den umliegenden Landkreisen kümmert. Und das Willkommenszentrum wird mit dem Welthaus, das gleich nebenan im Alten Waisenhaus entsteht, Räume nutzen und andere Gemeinsamkeiten pflegen. Das Welthaus, mit dem ein zentraler Treffpunkt für Eine-Welt-Gruppen der Stadt entsteht, wird auch einen Weltladen und ein Welt-Café enthalten.

Verwaltung und Rat stellen sich der humanitären Aufgabe

Bei der Unterbringung der wachsenden Zahl von Flüchtlingen steht Stuttgart vor neuen Herausforderungen. In diesem Jahr müssen zusätzlich 1300 Plätze geschaffen werden. Dies kann nur noch gelingen, wenn neue Wohnheime gebaut werden. Gut 1000 Plätze sollen in sogenannten neuen Systembauten in Bad Cannstatt, Plieningen, Mühlhausen, Zuffenhausen, Feuerbach und Möhringen entstehen. Auch wenn es in einigen Fällen Einwendungen von Anwohnern gibt und die Unterkünfte in Feuerbach und in Möhringen nach Protesten jetzt an Alternativstandorten errichtet werden: alles in allem verlief der Prozess auf akzeptable Weise. Die Ratsfraktionen ziehen an einem Strang, die nötigen 21 Millionen Euro für die Systembauten wurden einmütig beschlossen, Verwaltung und Rat stellen sich der humanitären Aufgabe. Die Stadt wird zusätzliche Mittel für Deutschkurse von Flüchtlingen bereitstellen, die vom Bund nicht übernommen werden.

Und die Bereitschaft der Bürger, sich ehrenamtlich für Flüchtlinge zu engagieren, ist im Vergleich zu früher stark gewachsen. Gegenwärtig gibt es 26 Flüchtlingsfreundeskreise im Bereich von Unterkünften, drei sind noch in Gründung. Das sind deutlich mehr als in den 90er Jahren. „Es wird in jeder neuen Unterkunft Ehrenamtliche geben, die die Flüchtlinge begrüßen“, sagt Stefan Spatz, der stellvertretende Leiter des Sozialamtes. Bei einer Zusammenkunft von Ehrenamtlichen kürzlich im Rathaus war die Resonanz mit 80 Anwesenden um ein vielfaches Höher als vor Jahren.

Unterkünfte mit bis zu 250 Plätzen

Auch beim Arbeitskreis Asyl sieht man die Politik des Oberbürgermeisters und des Rats „grundsätzlich positiv“, so Asylpfarrer Werner Baumgarten. Was ihm und seinen Mitstreitern nicht so gut gefällt, das sind die neuen Unterkünfte, die zum Teil mit bis zu 250 Plätzen groß ausgefallen seien. Auch dass einige in Außenbezirken errichtet werden, hält Baumgarten für ungünstig: „Je abgelegener, desto schwieriger.“

Das sagen die Grünen zur Flüchtlingspolitik

Die Grünen preisen Stuttgart als eine weltoffene, internationale, multikulturelle Stadt. Dies sei ein „großer Vorteil“. Eine gute Integrationspolitik, die Einrichtung des Willkommens-Zentrums als zentrale Anlaufstelle für alle, die sich neu in Stuttgart niederlassen, und die Förderung der gleichberechtigten Teilhabe der Migranten bezeichnet die Partei als „entscheidende Investitionen in die Zukunft“. Bei dem Thema Flüchtlingsaufnahme sprechen sich die Grünen für eine Kultur des Willkommens und eine humane, gute Unterbringung der Flüchtlinge aus.

Neubürgern müsse möglichst frühzeitig niederschwellige Sprachförderung und Unterstützung angeboten werden. Kinder und Jugendliche, die als Quereinsteiger ins Bildungssystem kommen, bräuchten gute individuelle Förderung, die sie auf eine rasche Integration in den Regelunterricht vorbereitet.

Das sagt die CDU zur Flüchtlingspolitik

Die CDU will die „von Manfred Rommel vorbildlich initiierte Stuttgarter Integrationspolitik“ weiterentwickeln. Viele Migranten seien längst zu einem wichtigen und unverzichtbaren Teil der Gesellschaft geworden. Deutschland und Stuttgart brauchten Zuwanderung: von Facharbeitern, von Pflegekräften, von Beitragszahlern in unser Sozialsystem. Die integrationsfördernden Angebote gelte es auszubauen.

Flüchtlinge, die in ihrer Heimat Schlimmes erlebt hätten, verdienten es, hierzulande Schutz zu finden und ein menschenwürdiges Leben führen zu können. Dazu zählt nach Ansicht der CDU eine angemessene Unterkunft: die rasche Erstellung von Flüchtlingsunterkünften in den Stadtbezirken habe die Partei nachdrücklich unterstützt. Auch das Willkommenszentrum für Neuankömmlingen sei ein richtiger Ansatz als erste Anlaufstelle für Neubürger und neue Fachkräfte.

Das sagt die SPD zur Flüchtlingspolitik

Die SPD sieht die Tatsache, dass in Stuttgart viele Menschen mit Migrationsgeschichte eine neue Heimat gefunden haben, als kulturellen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gewinn: Als „sichtbaren Ausdruck der Vielfalt“ wünschen sich die Sozialdemokraten ein Haus der Kulturen, das auch die Vereine mit Räumlichkeiten unterstützt.

Wenn die fehlende deutsche Staatsangehörigkeit Grenzen bei der Mitbestimmung zieht, setzt sich die SPD für alternative Beteiligungsformen ein, um dennoch möglichst viele Bürgerinnen und Bürger an der politischen Diskussion und Entscheidungsfindung zu beteiligen. Eine gelungene Integration zeige sich auch im Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund. Die Partei fordert daher eine gezielte Personalentwicklung, die Kultursensibilität und Migrationserfahrung in allen Ebenen und Ämtern der städtischen Verwaltung etabliere.

Das sagen die Freien Wähler zur Flüchtlingspolitik

Die Freien Wähler begrüßen das neue Willkommenscenter, in dem Informationen rund um Zuzug und Einleben in der Schwabenmetropole für alle Neustuttgarter aus nah und fern kompetent von und an einer Stelle angeboten würden. Damit werde das Eingewöhnen erleichtert, das trage zum Wohlfühlen in der neuen Heimat bei.

„Mit starkem sozialem Bewusstsein und Engagement begleiten wir die Aufnahme der Flüchtlinge und setzen uns für geeignete Standorte der neuen Flüchtlingsunterkünfte ein“, betonen die Freien Wähler. Die Wählervereinigung wünscht sich „für jeden, der Stuttgart als neue Heimat wählt, einen sicheren Arbeitsplatz sowie ein starkes soziales Umfeld“. Stuttgart müsse als Wohlfühlstadt wahrgenommen werden.

Das sagt die FDP zur Flüchtlingspolitik

Die FDP beschreibt die Ausgangslage so: „Toleranz und Wohlstand schaffen in unserer Stadt die Grundlage, dass das Zusammenleben gut gelingt. Durch die Begegnung mit anderen kulturellen Hintergründen wird unsere städtische Gesellschaft bereichert.“ Um dies fortzusetzen, plädieren die Liberalen etwa für eine Liberalisierung des Asylgesetzes dergestalt, dass die Arbeitsbeschränkungen für Asylsuchende abgeschafft werden.

Menschen in Arbeit würden sich schneller integrieren. Aus Gründen der einfacheren Integration seien zudem viele kleine gegenüber wenigen großen Flüchtlingsunterkünften zu bevorzugen. Bei der Entscheidung über die örtliche Platzierung müssten aber sowohl die Belange der Anwohner als auch die Belange der Asylbewerber berücksichtigt werden, beispielsweise eine gute Erreichbarkeit des ÖPNV.

Das sagt die SÖS zur Flüchtlingspolitik

Die SÖS fordert mehr Möglichkeiten der Teilhabe. Selbstorganisierte Stadtteilzentren können in allen Stadtbezirken Begegnungen ermöglichen: „In unserer reichen Stadt haben wir für Menschen, die aus größter Not flüchten, eine große Verantwortung.“ Dazu gehöre eine menschenwürdige, dezentrale Unterbringung sowie mindestens eine Verdoppelung der sozialpädagogischen Kräfte; außerdem eine sofortige Schulpflicht für Flüchtlingskinder und Deutschkurse.

Die Linke fordert Mitbestimmung für alle, die ihren Lebensmittelpunkt in Stuttgart haben. Das Kommunalwahlrecht soll auch für dauerhaft hier lebende Bürger aus Drittstaaten gelten. Die Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen soll intensiviert, Migrantenkinder gezielt in Kitas und Ganztagsschulen gefördert werden. Außerdem brauche es mehr Betreuer in den Unterkünften, Dolmetscher im Willkommenszentrum und intensivere Sprachförderung.