Der Konflikt zwischen China und Japan um eine neue Zone im Ostchinesischen Meer steht kurz vor der Eskalation. Die USA sind besorgt und schlagen sich auf die Seite von Tokio – was die Gemüter in Peking zusätzlich erhitzt.

Peking - Die Fabel wird Äsop zugeschrieben, ist demnach schon fast dreitausend Jahre alt, gleichwohl aber so aktuell wie eh und je. Da ist der Hirtenjunge, der schreit, dass der Wolf käme, und lacht, als Hilfe herbeieilt. Alles nur ein Spaß, vom Wolf nichts zu sehen. Als der Wolf dann wirklich kommt, reagiert niemand mehr auf die Hilferufe. Moral der Geschichte: bei zu viel blindem Alarm wird die reale Gefahr nicht mehr ernst genommen.

 

Daran mag man denken, wenn aus Ostasien die Nachrichten kommen, dass sich wieder einmal der Streit zwischen China und Japan um eine Inselgruppe zuspitzt, die von Peking Diaoyu und von Tokio Senkaku genannt wird. Seit mehr als einem Jahr ist der Konflikt am Kochen, gelegentlich kocht er über, zum Beispiel dann, wenn sich chinesische und japanische Schiffe gegenseitig mit Wasserwerfern beschießen. Die größtmögliche Eskalationsstufe ist bisher jedoch noch ausgeblieben. Das nährt Abstumpfungseffekte. Doch die Gefahr wächst unaufhörlich weiter – und sie war wohl noch nie so groß wie im Augenblick.

Drohung mit militärischen Gegenmaßnahmen

„Frühwarnsystem für Selbstverteidigung“ nennen die Chinesen ihre neue Zone für Luftraumüberwachung im Ostchinesischen Meer. Ausländische Militärflugzeuge sollen sich darin identifizieren und den Anweisungen der chinesischen Luftwaffe folgen, sonst drohen ihnen militärische Gegenmaßnahmen. Die Zone gelte keinem bestimmten Land, behauptet ein Sprecher des chinesischen Verteidigungsministeriums. Doch genau das ist der Fall: Japan sieht sich provoziert. Die USA als sein engster militärischer Verbündeter warnen vor „gefährlichen Fehleinschätzungen in der sensiblen Region“ – was wiederum den Zorn Chinas erweckt. Amerikas Bemerkungen seien unbegründet, unverantwortlich und inakzeptabel, lautet die chinesische Kritik, die der US-Botschaft in Peking gestern förmlich übermittelt wurde. Mit scharfen Worten wiesen die Chinesen auch den Protest aus Südkorea und Taiwan zurück. Japan bekräftigte seine Ankündigung vom Jahresbeginn, es werde die Veränderung des Status quo in Ostasien durch China nicht dulden und der wachsenden Macht Pekings „etwas entgegensetzen“. Vor allem die USA zeigen sich wegen der nun überlappenden Militärzonen besorgt über eine mögliche Eskalation in der Region. Für Japan, so der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe, habe die Regelung der Chinesen keine Geltung. Peking solle die Maßnahme zurücknehmen, da es gegen internationales Recht verstoße. „Dies ist eine äußerst gefährliche Angelegenheit, die eine unvorhergesehene Situation hervorrufen kann“, sagte Abe.