Das Landeskriminalamt geht aktuell nicht davon aus, dass nach den Rockeraufmärschen der vergangenen Tage ein Bandenkrieg in Stuttgart droht. Weitere Konfrontationen der rivalisierenden Gangs schließt es allerdings nicht aus.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Wer hat wo das Sagen – darum geht es nach Ansicht der Experten des Landeskriminalamts (LKA) bei den Auseinandersetzungen zwischen rockerähnlichen Gruppierungen in Stuttgart und der Region dieser Tage. „Wir haben es nicht mit organisierter Kriminalität zu tun, sondern mit Provokationen und Machtdemonstrationen“, sagt Ulrich Heffner, Sprecher des LKA. Als Gegner stehen sich bei den aktuellen Vorfällen junge Männer gegenüber, die sich unter der Bezeichnung „Stuttgarter Kurden“ auf einer Seite im Netzwerk Facebook austauschen, sowie die rockerähnliche Gruppierung United Tribuns. Dass es zu Gewalttaten oder gar einer Art Bandenkrieg kommen könnte, davon sprechen weder Vertreter des LKA noch des Polizeipräsidiums. Bis jetzt gehe es lediglich um das Kräftemessen und die Machtdemonstration – weitere Konfrontationen seien nicht auszuschließen.

 

Das funktioniert so: wenn die eine Gruppe mit starken Kräften in einer Stadt die Muskeln spielen lässt, fühlt sich die andere dazu herausgefordert zu zeigen, dass sie mit mindestens genauso vielen – wenn nicht mehr – Anhängern durch die Straßen ziehen kann. Am vergangenen Wochenende erregten die United Tribuns Aufsehen. Sie hatten sich landesweit zusammengetrommelt, um sich in Stuttgart zu treffen. Davon hatte die Polizei Wind bekommen und versuchte, das Treffen durch Kontrollen an den Einfallstraßen zu verhindern.

United Tribuns kommen aus dem ganzen Land angereist

Die Beamten stellten unter anderem Fahrzeuge aus Aalen, Freiburg, Tuttlingen, Rottweil sowie aus der Schweiz und Frankreich fest. Sie konnten jedoch nicht alle aufhalten, so dass es rund 100 Anhänger der Gang in den Westen schafften. Die Polizei stoppte sie, als die Kuttenträger mit ihren Rockerjacken in die Stadt ziehen wollten. Damit verhinderten die Beamten zumindest für die Landeshauptstadt das Aufeinandertreffen mit den überwiegend kurdischstämmigen Kontrahenten. Am Abend schafften es die Gruppierungen dann aber, sich in Ludwigsburg zu versammeln. Auch hier ging die Polizei dazwischen. Die Aggression gelte den Kontrahenten, nicht den Bürgern. So schätzte auch das Ludwigsburger Ordnungsamt die Lage als „nicht bedrohlich“ ein. In Ludwigsburg wurden sieben Personen vorläufig festgenommen. Die Männer aus dem Umfeld der Stuttgarter Kurden seien alle keine Unbekannten gewesen, sagte der Sprecher der Ludwigsburger Polizei: „Wir erkannten mehrere wieder, die früher den Red Legions angehörten.“ Diese Gruppierung wurde im Jahr 2013 verboten. Deren Mitglieder waren überwiegend kurdischstämmig.

Ehemalige Red Legion-Anhänger bei „Stuttgarter Kurden“

Das heiße aber nicht, dass alle der Gruppe „Stuttgarter Kurden“ von der Red Legion kommen, erläuterte LKA-Sprecher Heffner: „Aufgrund der Kurdenkonflikte kann es sein, dass sich junge Migranten anschließen, die nichts mit der Red Legion zu tun hatten.“ Welche Feindbilder die jungen Kurden haben, sieht man auf ihrer Facebook-Seite. Dort wurden etwa Hassparolen gegen inzwischen verurteilte Dschihadisten verbreitet. Die „Brüder im Gefängnis“ werden aufgerufen, die inhaftierten IS-Kämpfer zu verprügeln, einige wollen sie sogar tot sehen. Zudem zeigen die „Stuttgarter Kurden“, wie sie eine United-Tribuns-Jacke verbrennen. Sie soll von einem Überfall im Kreis Ludwigsburg stammen.

Die United Tribuns sind dafür bekannt, dass manche Mitglieder in der organisierten Kriminalität mitmischen. So sollen unter den 15 Verdächtigen, die im vergangenen Jahr nach einer Durchsuchung des FKK-Clubs Paradise in Leinfelden-Echterdingen festgenommen wurden, mehrere United Tribuns gewesen sein. Die Polizei ging damals gegen einen Menschenhändlerring vor. „Um derlei Geschäfte geht es nun nicht“, betonte der LKA-Sprecher. Die United Tribuns sollen am Wochenende mit ihrem landesweit organisierten Aufmarsch auf eine Machtdemonstration der Kurden und ehemaligen Red-Legions-Anhänger Mitte März reagiert haben. Damals war eine Gruppe Vermummter durch Stuttgart gezogen. Im Internet brüsten sich die Kurden mit dieser Aktion. „Stuttgart bleibt sauber von Zuhälterbanden und Faschisten“, kommentieren sie den Auftritt – mit dem sie ihre Kontrahenten gereizt haben.